Rezension

Niemand ist frei von Schuld – Anspruchsvoller, überzeugender und sehr spannender Kriminalroman

Der letzte Pilger
von Gard Sveen

Bewertet mit 5 Sternen

In einem Wald, in der Nähe von Oslo, werden die skelettierten Leichen von zwei Erwachsenen und einem Kind entdeckt. Sie haben dort viele Jahrzehnte unentdeckt gelegen. Ein paar Tage später wird der ehemalige Held und Widerstandskämpfer Carl Oscar Krogh auf bestialische Weise ermordet aufgefunden.

Kommissar Tommy Bergmann ermittelt und findet bald heraus, dass die Toten scheinbar in Verbindung mit der Widerstandsagentin Agnes Gerner in Zusammenhang stehen. Tommy Bergmanns scharfsinnige Ermittlungen führen zurück bis in die Jahre um 1940, doch es ist alles andere als einfach, die mysteriösen und weitreichenden Verstrickungen dieser ungelösten Fälle zu lösen.

Der Autor:

Gard Sveen, geboren 1969, ist Staatswissenschaftler und arbeitet als Seniorberater im norwegischen Verteidigungsministerium. DER LETZTE PILGER ist sein Debüt in der Serie um Tommy Bergmann und wurde mit dem Rivertonpreis 2013 und dem Glass Key Award 2014 ausgezeichnet, dem wichtigsten skandinavischen Krimipreis. Gard Sveen lebt in Ytre Enebakk, einem kleinen Ort in der Nähe von Oslo. (Quelle: List Verlag / Ullstein Buchverlage)

Reflektionen:

Der letzte Pilger ist als bester Kriminalroman Skandinaviens ausgezeichnet worden. Zu Recht wie ich finde. Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich niemals angenommen, dass es sich bei Der letzte Pilger um das Debüt des Autors handelt. Gard Sveen ist es meisterhaft gelungen eine höchst spannende Handlung bis ins Kleinste zu verstricken, sodass eine seiner Hauptfiguren, Kommissar Tommy Bergmann, nur mit Klugheit und Intelligenz, diese geheimnisvollen Tötungsdelikte aufklären kann und der Leser alle Mühe hat, sich gedanklich nicht in die Irre führen zu lassen.

Knisternde Spannung zieht sich gnadenlos bis zur letzten Seite fort, sodass man diesen 544 Seiten starken Kriminalroman nur schwer bei Seite legen kann. Gard Sveen spielt geschickt mit der Neugierde des Lesers, indem er seine Geschichte in zwei Handlungssträngen erzählt. Die beiden Perspektiven wechseln vom Hier und Jetzt zu den historischen Jahren um 1940, die die Wirren der Nachkriegszeit und der Widerstandskämpfer gut recherchiert darstellen.

Der letzte Pilger besitzt durch zahlreiche agierende Figuren eine gewisse Komplexität, die dem Leser einiges an Konzentration abverlangt, um die umfassende Story als Lesegenuss zu empfinden.

Gard Sveens Schreibstil ist sehr harmonisch und fließend. Er beschreibt maßvoll Schauplätze und lässt Historisches der NS Nachkriegszeit dezent einfließen. Sein Hauptaugenmerk liegt auf den stilvollen Charakterzeichnungen, die mir als Leser unglaublich wichtig sind. Sie besitzen Authentizität und viele von ihnen sind sehr sympathisch. Einige von ihnen wachsen dem Leser sogar ans Herz, doch dann geschehen Dinge in der Fortführung der Handlung, die brutal erschrecken und entsetzten und man muss einsehen, dass Gard Sveen den Leser geschickt und klug hinter Licht geführt hat.

Die beiden Hauptfiguren kreieren entsprechend die beiden Handlungsstränge. Während Kommissar Tommy Bergmann solide und klug ermittelt, kämpft er mit einem angeknacksten Selbstbewusstsein, was private Beziehungen angeht. Zudem zermürbt ihn sein Gewissen, da er seine Frau geschlagen hat. Diese inneren Konflikte sind Nebenschauplätze, bereichern aber die Handlung und lassen sie dadurch noch lebendiger werden.

Agnes Gerner zeichnet die Perspektive um 1940 herum. Sie ist Agentin des Widerstands in der Nachkriegszeit. Ihre Ausbildung endete mit einem Schuss auf ihren eigenen Hund, zudem sie genötigt wurde. Entlassen in die Welt der Spionage leistet sie Großartiges, doch wo Liebe eine Rolle spielt wandeln sich die Ereignisse schnelllebig. Die Figur der Agnes kitzelt viele Emotionen beim Lesers hervor, denn Agnes lebt ständig in der Angst enttarnt zu werden und sie spielt ein zweischneidiges Spiel, dass einfach nicht gutgehen kann. Dieser Handlungsstrang hat mir unwahrscheinlich gut gefallen, da die Persönlichkeit und die Handlungen von Agnes sehr interessant und äußerst spannend erzählt werden. Die politische Vergangenheit von einigen Figuren spielt eine maßgebliche Rolle in der Geschichte und sie liefert das Motiv. Am Ende ist der anspruchsvolle Kriminalroman schlüssig und glaubhaft aufgelöst, sodass man als zufriedener Leser zurückbleibt und hofft, es möge bald einen weiteren spannenden Fall für Tommy Bergmann geben.

Fazit und Bewertung:

Ein gelungenes, anspruchsvolles Debüt, das ich sehr gern denjenigen empfehle, die vollmundige, komplexe Handlungen und stilvolle Charakterzeichnungen mögen.