Rezension

solides Szenario, das etwas mehr Tempo vertragen könnte

Bis zum letzten Tropfen - Mindy McGinnis

Bis zum letzten Tropfen
von Mindy McGinnis

Zitat:
„Ihre Muskeln entspannten sich leicht, und sie senkte den Gewehrlauf, doch so, dass sie ihn sofort wieder auf ihn richten konnte. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.“
(S.68)

„Beißender Frost brach ein und verwandelte den Morgentau in eine tödliche Eisdecke, die die Stimmen der Insekten zum Verstummen brachte.“
(S.124)

Inhalt:
Lange Jahre ist es her, dass es genügend trinkbares Wasser für alle gab. Nun ist das Wasser knapp. So knapp, dass Lynn und ihre Mutter jeden Menschen erschießen, der dem Haus und ihrem Weiher zu nahe kommt. Dieses Leben ist einsam. Nur Stebbs wohnt noch in der Nähe, doch ein Kontakt besteht nicht.

Bei einem Kojotenangriff wird Lynns Mutter schwer verletzt und stirbt kurz darauf. Nun ist die Sechzehnjährige auf sich allein gestellt. Das Wasser und das Haus zu bewachen wird immer schwieriger. Und die Gefahr aus dem Süden wächst ständig an. Ohne fremde Hilfe wird Lynn nicht überleben können. Doch kann sie das Risiko eingehen, den überlebensnotwendigen Weiher unbewacht zu lassen?

Meinung:
Zu „Bis zum letzten Tropfen“ habe ich mittlerweile so einige Meinungen in sämtlicher Bandbreite gesehen. Gerade dieses breite Spektrum an Rezensionen hat mich neugierig auf die Geschichte werden lassen. Immer wieder hatte ich das Buch in der Buchhandlung in der Hand, um es letztendlich dann doch nicht mitzunehmen. Nun aber lag „Bis zum letzten Tropfen“ bei mir unter dem Weihnachtsbaum und dort habe ich es nicht lange liegenlassen.

Kaum hatte ich mit dem Lesen begonnen, fand ich mich auch schon mitten in der Welt von Lynn und ihrer Mutter wieder. Ich wurde also förmlich in die Geschichte hineingeworfen und konnte mich der von der ersten Seite an bestehenden bedrückenden Atmosphäre kaum entziehen. Kaum vorstellbar, dass Menschen derart abgeschnitten seit Jahren miteinander leben und wirklich niemand weiteren kennen. Denn Fremde bedeuten Gefahr. Gefahr für ihr Wasser, ihre Vorräte und ihr Haus. 

Lynn kennt nichts anderes als dieses Leben. Seit sie denken kann, lebt sie mit ihrer Mutter hier auf dieser einsam gelegenen Farm. Ihr Vater hat sich noch vor Lynns Geburt aus dem Staub gemacht. Auch wenn das Wasser im Rest der Welt knapp ist, haben sie mit ihrem Weiher das Glück, kostbares Nass zu besitzen. Natürlich greift Lynns Mutter zu den robustesten aller Methoden und erschießt jeden, der dem Grundstück zu nahe kommt. Und so ist Lynn aufgewachsen. So hat sie es von ihrer Mutter gelernt. Jede noch so kleine Bedrohung wird ohne zu fragen ausgeschaltet. Und genau deswegen haben sie überlebt. Auch wenn ich diese Maßnahme sehr drastisch fand, konnte ich mich der Logik des Vorgehens zumindest im Ansatz nicht verweigern. Natürlich habe ich grundsätzlich ein völlig anderes Werteempfinden, aber Lynn und ihre Mutter leben nun einmal in einer harten Welt, in der es schlicht und einfach um die nackte Existenz geht.

Und genau wie die ganze Umgebung lernte ich Lynn vorerst als nüchterne und emotional abgestumpfte Person kennen. Anflüge von Sympathie waren meinerseits definitiv von Beginn an vorhanden. Und dann geschieht diese Tragödie. Lynns Mutter stirbt und Lynn ist nun völlig allein. Auch wenn es sich von meiner Seite aus nun wahrscheinlich auch emotional unterkühlt anhören muss – genau dieses Ereignis hat Lynn förmlich dazu gezwungen, die eingeschlagene Richtung zu ändern. Natürlich ist es ihr anfangs nicht leichtgefallen, das bisher Alltägliche abzustreifen. Dies gelingt ihr erst nach und nach. Doch ihre Entwicklung ist wirklich erstaunlich. Vor allem hat mich ihre emotionale Veränderung sehr gefreut. So wurde mir Lynn immer vertrauter und der anfangs vorhandene Sympathiehauch verstärkte sich. 

Mindy McGinnis konnte mich mit ihrem flüssigen Schreibstil gut an den Seiten halten. Die Geschichte wurde mir in Vergangenheitsform aus Lynns Sicht erzählt und mit Dialogen abgerundet. Die zwischendurch doch immer wieder vorhandenen zähen Abschnitte hielten mich nicht davon ab, dem weiteren Fortgang der Geschichte entgegenzusehen. Auch wenn ich kein Fan ausschmückend dargestellter Szenarien bin, hätte ich mir hier jedoch schon etwas mehr Beschreibungen gewünscht. Nicht immer ist Weniger auch Mehr. So empfand ich, dass zum Großteil nur ein Punkt nach dem anderen abgehakt wurde. Die Spannungsspitzen waren insofern aus meiner Sicht auch etwas zu kurz aufgesetzt und hätten durchaus länger andauern können.

Das Ende der Geschichte hat die Autorin so gestaltet, dass ich das Buch nun zufrieden zur Seite legen und mich von Lynn und den anderen Charakteren beruhigt verabschieden konnte.

Insgesamt fühlte ich mich trotz meiner Kritikpunkte wirklich gut unterhalten und fieberte den kommenden Ereignissen entgegen. Mindy McGinnis hat mit „Bis zum letzten Tropfen“ eine wirklich solide dystopische Geschichte geliefert, die ich nicht bereue, gelesen zu haben. 

Urteil:
„Bis zum letzten Tropfen“ hat mir mit seiner Atmosphäre und einer sich zusehends entwickelnden Protagonistin wirklich schöne Lesestunden bereitet. Meine Zeit an Lynns Seite im Kampf um Wasser und Vorräte sind mir deshalb eindeutig 4 Bücher wert.

Für alle, die im Kampf um sich verringernde Ressourcen nicht aufgeben, ein Ungleichgewicht zwischen Gewalt und Gerechtigkeit nicht akzeptieren und den Blick stets nach vorn gerichtet halten.

Die Reihe:
1. Bis zum letzten Tropfen
2. In a Handful of Dust (Originaltitel)

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