Rezension

Eine sehr interessante Idee zu einer Zukunftsvision

Bis zum letzten Tropfen - Mindy McGinnis

Bis zum letzten Tropfen
von Mindy McGinnis

Bewertet mit 4 Sternen

Sauberes und trinkbares Wasser aus dem Wasserhahn ist für mich so selbstverständlich, dass ich mir nur selten Gedanken darüber mache, wie es sein muss darauf zu verzichten. Nachdem ich „Bis zum letzten Tropfen“ von Mindy McGinnis gelesen hatte, wurde mir wieder bewusst, welch puren Luxus ich jeden Tag genießen darf. Und wie schwer das Leben sein muss, wenn man jeden Tag um sauberes Wasser kämpfen muss. Wie die sechzehnjährige Lynn. Sie lebt in einer Welt, in der es jeden Tag darum geht, sich ausreichend Wasser zum Überleben zu sichern. Schon früh musste sie lernen das Wasser in dem Weiher hinter ihrem Haus, um jeden Preis zu verteidigen. Denn wer in einer Welt lebt, in der fast alle Wasserressourcen verbraucht oder verseucht sind, weiß, dass jeder Tag der letzte sein kann.

In den letzten Jahren habe ich einige Dystopien gelesen und trotzdem kann man mich immer wieder dafür begeistern. Allerdings kann man mich eher mit guten und nachvollziehbaren Ideen als mit überkandidelter Werbung überzeugen. Mindy McGinnis hat sich für ihr Buch einem Thema angenommen, dass faszinierend und alles andere als unrealistisch ist. Eine Wasserknappheit, die sich nicht mehr nur auf ärmere Länder beschränkt, sondern die gesamte Menschheit betrifft. Hinzu kommt, dass McGinnis ihre Geschichte mit keiner überwältigenden und Angst einflößenden postapokalyptischen Kulisse ausschmückt. Sie bedient sich einem etwas einfacheren Setting – einer kleinen Farm, zu der ein Weiher gehört und einem gefährlichen und dünn besiedelten Landstrich -, in dem sie ihre sehr interessanten Figuren agieren lässt. Auf dieser Farm lebt die Hauptprotagonistin Lynn mit ihrer Mutter, deren Tagesinhalt es ist, den Weiher auf Leben und Tod zu verteidigen, und Nahrung und Brennholz zu beschaffen, um ihr eigenes Überleben zu sichern. Mit einfachen stilistischen Mitteln beschreibt McGinnis diesen Alltag, der alles andere als langweilig ist. Denn dem Leser wird immer wieder vor Augen geführt, wie wichtig es ist diese Wasserquelle zu beschützen. Und obwohl die Geschichte im Vergleich zu anderen Dystopien etwas ruhiger gehalten ist, spürt man deutlich eine Bedrohung durch die Natur oder durch andere durstige Menschen. In jedem Augenblick.

Es bedarf keiner größeren Erklärungen, warum die Welt in der Lynn mit ihrer Mutter lebt, ist, wie sie ist. Denn wenn man sich vor Augen führt wie die Menschheit mit allen natürlichen Ressourcen, die ihr Leben sichern umgehen, wird einem schnell bewusst, dass dieses Szenario eine Folge davon sein könnte. Wahrscheinlich beginnt die Autorin deswegen ohne große Erläuterungen mit ihrer interessanten Geschichte von den Entwicklungen nach dem erschöpfenden Raubbau aller natürlichen Ressourcen und den Konsequenzen für die Menschheit.

„Bis zum letzten Tropfen“ lebt von seinen authentischen und facettenreichen Figuren. Am faszinierendsten ist jedoch der Charakter von Lynn. Mit ihr lernt der Leser, einen von der Außenwelt völlig isolierten und energischen Menschen kennen, für den es nur darum geht, zu überleben und das Kostbarste auf ihrem Territorium zu schützen. Die Kontakte zu anderen Menschen in ihrem Leben beschränkten sich auf ihre Mutter und skrupellose Wasserdiebe. Im Verlauf der Handlung wird Lynn indes durch tragische Umstände dazu gezwungen, sich von ihren gewohnten Sicherheiten und ihren gebräuchlichen Mustern zu lösen. In ihrem Bestreben sich den für sie neuen Umständen anzupassen, macht Lynn eine gewaltige Entwicklung durch, die mich bestens unterhalten konnte. Aber auch die wenigen Nebenfiguren waren ansprechend.

„Bis zum letzten Tropfen“ von Mindy McGinnis konnte mich auch ohne ein aufgebauschtes und überladenes Setting und einer durchweg dramatischen Handlung überzeugen.