Rezension

Traumhaftes Abtauchen

Der Nachtzirkus - Erin Morgenstern

Der Nachtzirkus
von Erin Morgenstern

Es fällt mir machmal sehr schwer ein Buch zu rezensieren -je besser es ist, umso schwieriger ist es zu sagen, warum.

Fangen wir erstmal mit dem Inhalt an: 
 Zwei alternde Zauberer wollen erneut einen Wettkampf abhalten. Dieser soll jedoch nicht von ihnen, sondern von ihren Lehrlingen durchgeführt werden. Sie wissen nichts, sie kennen wgewinnenen Gegner noch Zeit, Ort und Ziel. Und doch begegnen sie sich schließlich und...verlieben sich.
Der Wettstreit im Lichte des Nachtzirkus wird immer komplizierter für Celia und Marco.

Der eigentliche Star dieser Geschichte ist der Nachtzirkus, der Cirque des Rêves. Jener Zirkus, der unangekündigt und nur bei Nacht geöffnet hat. 
In einigen Sequenzen, so auch zu Beginn, wird der Leser direkt angesprochen und tatsächlich fühlt es sich an, als ob man im Zirkus sei. Alle Sinne werden erfasst.
Es macht richtig Spaß über die Zelte zu lesen, die Rêveurs, und jede noch so kleine Kleinigkeit.

Der Aufbau des Zirkus ist ein Handlungsstrang, der unablässig mit dem Schicksal von Marco und Celia verknüpft ist. Celia ist die Tochter eines großen Magiers, der jedoch nur wenig väterlichen Umgang mit ihr pflegt - er will nur den Wettbewerb gewinnen. Dementsprechen kurz ist ihre Kindheit, bis sie sich später kleine Freiräume erkämpft, die jedoch mehr durch Zufall (Glück oder Pech sei dahingestellt) entstehen. Lange Zeit ist sie jedoch alleine...

Marco hingegen wurde im Waisenhaus aufgegabelt und auch er ist häufig allein, sieht jedoch viel von der Welt. Dabei trifft er auf Isobel, eine junge Frau, die sich ihm und den Tarotkaten zugehörig fühlt.

Ihrer beider Schicksale finden schließlich bei Chandresh, einem Exzentriker mit Hang zur Exklusivität und Genialität zusammen und verknüpfen sich unwideruflich mit dem Zirkus...

Neben der Liebesgeschichte und dem Zirkus gibt es noch einen weiteren, zeitlich versetzten    Erzählstrang. Hier geht es um Bailey, dessen Leben durch den Zirkus durcheinandergewirbelt wird.

Die Charaktere sind allesamt besonders, jeder hat etwas, das ihn abhebt und so mancher weiß im Laufe der Handlung zu überraschen. Auf clevere Weise ist jeder mit jedem verbunden, oftmals ohne es zu ahnen. 
Marco ist zwar manchmal arrogant und doppelzüngig, die ist jedoch eher auf Erziehung und Umstände zurückzuführen. Celia hingegen ist recht liebenswürdig, jedoch sehr distanziert und introvertiert. 
Trotzdem schließt man die Charaktere ins Herz, vor allem jedoch die Nebenfiguren.

Ich habe häufiger gelesen, dass vielen die Liebesgeschichte nicht überzeugend genug finden, eine Aussage der ich nicht gänzlich zustimmen kann. Ja, es geht nicht alles ins Detail, aber die Geschichte ist auf mehrere Jahre angelegt, und der Schwerpunkt liegt mehr auf dem Zirkus und seiner Magie.

Diese Magie wird durch Morgenstern bezaubernden Schreibstil eingefangen, sie spielt mit allen Möglichkeiten: Vorausdeutungen, direkte Ansprachen des Lesers, Zitate eines Rêveurs, Metaphern, und sehr genauen Beschreibungen. Durch die Nutzung des Präsens entsteht eine Nähe zum Geschehen, es wirkt alles noch realer. 

Ebenso so schön wie die Geschichte selbst ist ihre Aufmachung: Das Cover lädt zum Träumen ein, und man kann schon viel Zeit damit verbringen, es anzuschauen. Wenn man soch von der Geschichte losreißen kann, die zum Ende hin auch an Spannung zunimmt. Doch schon vorher kann man das Buch nicht aus der Hand legen - zu groß der Wunsch, es möge doch real sein.

Wer ein Buch sucht, in das man Eintauchen kann, das die Sinne berührt, und zum Träumen einlädt, der ist hier genau richtig!