Rezension

Verluste können auch Gewinne mit sich bringen

Das Buch eines Sommers
von Bas Kast

Bewertet mit 3.5 Sternen

          Diese typischen Diogenes-Cover sind ein Traum! Ich mag jeden einzelnen Umschlag dieser leinengebundenen Bücher. Grund genug für mich, „Das Buch eines Sommers“ anzuschaffen und zu lesen. Doch diesmal war ich wohl der angesprochenen Leserschaft schon entwachsen. Vielleicht hätte ich mehr auf den Zweittitel „Werde, der Du bist“ achten sollen?

Aber von vorne: Die Leseprobe vom liebeskranken Abiturienten, der vom Onkel aufgefangen wird, hat mir gefallen. Dass aus dem schließlich ein erfolgreicher Geschäftsmann wird, der vor lauter Arbeit kaum noch Zeit für seine kleine Familie findet, hatte ich so nicht erwartet. Warum eigentlich nicht? Ist das nicht ein normaler Lebenslauf?

Erst der Tod seines geliebten Onkels Valentin – einem erfolgreichen Schriftsteller – riss Nicolas aus seinem Alltagstrott. Als der Ich-Erzähler  zugibt: „Er war einer der wenigen Menschen gewesen, in dessen Gegenwart ich nie das Gefühl hatte, meine Zeit zu verschwenden. Selbst wenn wir einfach nur dasaßen und nichts taten, außer uns etwas zu erzählen“ (Seite 77), beginnt seine Wandlung. Zu der Zeit dürfte er etwa im Alter des 1973 geborenen Autors Bas Kast sein. In der vom Onkel geerbten Villa irgendwo nahe eines Weinbaugebietes erinnert sich der Inhaber einer vom Vater geerbten pharmazeutischen Firma, die mit ihrem Methusalem-Projekt versucht, den Alterungsprozess des Menschen aufzuhalten, daran, dass der Onkel ihn immer ermutigt hatte, sein Leben nicht von anderen bestimmen zu lassen …

Dieses Buch ist meiner Meinung nach ideal für Menschen in der Lebensmitte: Wenn sich im Alter zwischen 40 und 50 Jahren die Frage auftut, ob das nun alles gewesen sein soll; wenn die Alltagsroutine das wahre Leben behindert und sich eine gewisse Lebensunzufriedenheit breit macht.

Im Traum begegnet Nicolas einer Figur aus den Romanen des Onkels, die ihm klar macht: „Wir haben das Gefühl, dass alles immer so weitergeht. Dass es gar kein Ende gibt. Bis es plötzlich ganz anders kommt und die Realität uns jäh wachrüttelt. Ein geliebter Mensch stirbt, und man erkennt, wie dünn jene Schicht namens Leben ist, auf der wir uns alle bewegen.“

Dieses Buch regt zum Nachdenken an, wie sich das Leben lebenswerter gestalten lässt, ohne es total auf den Kopf zu stellen. Es enthält für diejenigen, die schon etwas älter sind, keine neuen Erkenntnisse, passt aber in die momentan so häufig propagierte Entschleunigung des Lebens. Ich bin davon überzeugt, dass es Menschen in der Lebensmitte voll treffen kann.