Rezension

Wenn das Vergessen an der Erinnerung rührt

Wenn das Licht gefriert - Roman Klementovic

Wenn das Licht gefriert
von Roman Klementovic

Bewertet mit 4 Sternen

Elisabeth und Friedrich sind seit 40 Jahren verheiratet. Trotz einiger Schicksalsschläge sind sie glücklich, auch wenn Friedrichs Alzheimererkrankung dunkle Schatten auf den Alltag wirft. Bei einer Fernsehsendung über unaufgeklärte Mordfälle gibt der verwirrte Mann plötzlich Details über ein Mordopfer von sich, die er nicht kennen kann. Elisabeth beschleicht ein schauriger Verdacht. 

"Wenn das Licht gefriert" ist ein Psychothriller, der dunkle Geheimnisse der Vergangenheit in die düstere Gegenwart holt, und den Leser auf eine beängstigende Tätersuche schickt.

Elisabeth hat es insgesamt gut. Sie ist zufrieden und glücklich verheiratet, auch, wenn die Betreuung ihres an Alzheimer erkrankten Mannes zu einer immer größeren Herausforderung wird. Sie schaut auf glückliche Jahre zurück und freut sich, dass sie trotz allem den Alltag zufrieden meistern kann. 

Eines Abends wird eine Fernsehsendung über ungeklärte Mordfälle ausgestrahlt. Darin wird ein Beitrag gezeigt, der den Mord an der besten Freundin von Friedrichs und Elisabeths Tochter schildert. Seit 22 Jahren ist der Täter auf freiem Fuß. Und mittendrin erwähnt Friedrich ein Detail, das er nicht wissen dürfte. Elisabeth kriegt es mit der Angst zutun.

Ich finde es eine richtig gute Idee, dass Klementovic einen Cold Case mit einem Alzheimer-Patienten verbindet. Schon allein die Ausgangslage bietet enormes Spannungspotential, weil Friedrich - egal wozu und wie er sich äußert - in Hinblick auf seine Erinnerungen unzuverlässig ist. Wer weiß, was er durcheinanderbringt und ihm in den Sinn kommt, wenn er bestimmte Szenen sieht?

Damit entfacht der Autor bei Elisabeth einen spannungsgeladenen Konflikt. Sie ist innerlich zerrissen, drängt nach Antworten und fürchtet sich. Sie schaut auf eine Jahrzehnte lange glückliche Ehe zurück, die mit einer einzigen Bemerkung komplett in Frage steht. 

Daraufhin stellt Elisabeth eigene Nachforschungen an, welche in unterschiedlichste Richtungen gehen. 

Klementovic schickt Elisabeth samt den Leser auf einen schlammigen Weg aus Verdächtigungen. Es werden ständig neue Täter auf's Tapet gebracht, die dann erst wieder in eine Sackgasse führen. Grundsätzlich erinnert mich der Aufbau an einen Whodunit-Krimi, weil er sich auf die kleine Stadt mit einer überschaubaren Anzahl an Bewohnern konzentriert.

Gleichzeitig baut der Autor Elisabeths Anstrengungen mit dem kranken Ehemann ein. Er veranschaulicht die zehrenden Herausforderungen, denen sie Tag für Tag ausgesetzt ist. Durch ihr geduldiges Verhalten und ihre Fürsorge wird die Liebe zu ihrem Mann in den Mittelpunkt gestellt, die aufgrund einer verwirrt geäußerten Aussage während einer TV-Sendung auf wackeligen Beinen steht. 

Die Atmosphäre ist der Handlung gekonnt angepasst. Es ist Herbst, es ist kalt und es regnet, sodass der Schlamm selbst an den Füßen des Lesers klebt. Dadurch wird das passende Ambiente erzeugt, was dem Thrillergeschehen eine zusätzlich düstere Note verleiht.

Ich fand den Thriller spannend und gut zu lesen. Der Ausgang beziehungsweise die Hintergründe um den Mord haben mir weniger gefallen. Ich jammere mal wieder auf hohem Niveau, weil es bestimmt nicht einfach ist, diverse wirre Wege in einer Handlung aufzubauen und am Ende mit einem glaubwürdigen Abschluss zu punkten. Mir war es trotzdem zu einfallslos, weil - wie bei vielen Thrillern - das Kaninchen aus dem Hut gezogen wird. 

Dafür hat Roman Klementovic eine Abschlussszene geschaffen, bei der nicht nur das Licht sondern auch das Herz gefriert. Ich bekomme jetzt noch Gänsehaut, wenn ich sie mir vor Augen führe. 

Alles in allem ist „Wenn das Licht gefriert“ ein fesselnder Psychothriller, der die Schrecken einer Krankheit von mehreren Seiten vor Augen führt, damit in der Vergangenheit rührt und somit zur Gefahr in der Gegenwart wird: Souverän erzählt und äußerst spannend zu lesen.