Rezension

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Die schwierigen Zwanziger, gut

Winterfeldtstraße, 2. Stock - Johanna Friedrich

Winterfeldtstraße, 2. Stock
von Johanna Friedrich

~Zum Inhalt:
Nach dem Tode ihres Mannes vermietet Charlotte im Berlin der zwanziger Jahre Zimmer ihrer großen Wohnung, um finanziell über die Runden zu kommen. Über einige Zeit darf der Leser das Treiben der bunten Gruppe der Wohngemeinschaft und ihr Hoffen und Bangen begleiten.

Zum Cover:
In Farbe und Stil der Zeit gehalten, ist dieses Cover eine schöne und passende Fassade für den Inhalt.

Mein Eindruck:
... war leider erst einmal negativ, da meine Leserseele sich vom Klappentext beschwindelt fühlte. Hier geht es nicht um einen Kriminalfall in Zeiten von Geldverfall und aufkommendem Nationalsozialismus, sondern um die großen und kleinen Abenteuer einer besonderen Art von Patchwork-Familie: Eine verwitwete junge Mutter mit Kleinkind, ein sich als Adliger tarnender jüdischer Kommunist, eine ältere (spätberufene) Lesbe, ein Kleinganove und ein naiver Nazi. An dieser Liste des Personals zeigt sich das für meinen Geschmack größte Manko des Romans: Vor lauter politischer Korrektheit fängt man an, sich zu langweilen. Natürlich ist nur der Nazi böse, der Kommunist will nur Gutes für Jedermann, die Lesbe ist grundgut und der sympathische Kleinkriminelle kommt auch noch auf den rechten Weg, - schade, dass nicht wenigstens eine Person komplett gegen den Strich gebügelt wurde. Glücklicherweise gibt es jedoch Teile der Geschichte, die die ohne Zweifel große Ausdruckskraft und das Können der Autorin beweisen: Z.B. eine Fotosession mit einer renitenten Künstlerin ist fantastisch gut gelungen, - davon hätte ich mir mehr gewünscht.

Fazit:
Manchmal langatmig und konventionell, manchmal brillant. 3 Sterne als goldene Mitte für die (manchmal) goldenen Zwanziger