Rezension

Eine Stadt und ein Schicksal im Wandel..

Winterfeldtstraße, 2. Stock - Johanna Friedrich

Winterfeldtstraße, 2. Stock
von Johanna Friedrich

Bewertet mit 3.5 Sternen

Das Leben in Berlin ist momentan nicht leicht. Alles ist teuer - viel zu teuer. Doch für Charlotte ist das längst nicht mehr das schlimmste. Sie ist schwanger, als sie die Nachricht über den angeblichen Suizid ihres Mannes bekommt. Charlotte will es nicht glauben, kann es nicht glauben. Ihr Mann hätte sie doch nie allein gelassen. Zu allem Überfluss muss sie nun auch noch mit einigen Untermietern ihre Wohnung teilen, um über die Runde zu kommen. Und das ist längst nicht so leicht, wie man vielleicht denken mag..

Wir begegnen hier einem absonderlichen Haufen bunter Charaktere. Leider konnte ich mich im ganzen Buch nur mit einem von ihnen wirklich anfreunden, nämlich mit der Bardame Claire. Die anderen huschen ein wenig wie Schatten durch die Wohnung und die Geschichte, existieren irgendwie am Rand, werden aber nie so ganz greifbar. Besonders unsere Protagonistin Charlotte blieb für mich ein farbloses Mäuschen. Ihr Trauer um ihren Mann war nicht greifbar, alles war irgendwie da, nur fühlen konnte ich als Leser nichts.

Ganz anders erging es mir da mit der Atmosphäre dieses Buches. Der damalige Zeitgeist ist von der ersten Seite an eingefangen, man fühlt die Verzweiflung, die Wut der Menschen und kann eintauchen, in ein schwieriges Leben das jenseits aller Normalität dennoch versucht, normal zu bleiben.

Und genau das war mein größtes Problem mit diesem Buch. Die Autorin versucht uns eine authentische Schilderung der damaligen Zeit zu liefern, das gelingt leider nur zum Teil. Die Wohngemeinschaft ist einfach ein zu absonderlicher Haufen, so viel Zufall gibt es nicht. Ein Kommunist, ein Nazi in den Kinderschuhen, ein Kleinganove, das Klischeebild einer Bardame und eine Frau die sich nicht unterkriegen lässt. Amüsant, ja. Aber sind wir mal ehrlich? Sowas passiert nicht. Und wenn es passiert, dann läuft es sicherlich ganz anders ab, als hier beschrieben wurde.

Das Buch amüsiert, aber fesselt nicht. Es ist lesenswert, aber nicht herausragend. Es kratzt an der Oberfläche, kommt aber nicht weiter. Alles in allem also leider nicht mehr als gutes Mittelmaß für Zwischendurch.