Rezension

Eine Frau findet ihren Weg

Winterfeldtstraße, 2. Stock - Johanna Friedrich

Winterfeldtstraße, 2. Stock
von Johanna Friedrich

Bewertet mit 4 Sternen

Die zwanziger Jahre sind keine leichten in dem noch vom 1. Weltkrieg gezeichneten Deutschland. Die Inflation nimmt zu und das Geld ist nicht mehr viel wert. In der Winterfeldstraße, 2. Stock befindet sich die Wohnung von Charlotte und Albert. Es ist eine schöne große Wohnung mit mehreren Zimmern. Charlotte ist schwanger und glaubt daran, das sie zusammen alles schaffen. Aber 1923 wird Alberts Leiche aus dem Fluss geborgen und die Polizei geht von einem Selbstmord aus, welcher damals sehr häufig aus Verzweiflung vorkam. Nur Charlotte will es nicht glauben, da Albert sie nie alleine gelassen hätte. Wie soll sie es alleine schaffen? Und dann mit Kind?

Ihr Bruder Gustav lebt ebenfalls ins Berlin und macht ihr den Vorschlag Zimmer zu vermieten, so kommt etwas Geld rein und die Wohnungssituation ist zurzeit eh sehr angespannt. Nach einigem Zögern sagt sie diesem zu uns schon bald ist die Wohnung voll.

Da wäre Gustav, welcher nie wirklich gearbeitet hat und sich lieber mit Betrügereien und Glückspiel über Wasser hält. Sein Kumpel der Lange, der wirklich bemüht ist und sich auch für keinen Job zu schade ist, um die Miete aufzubringen. Sowie Claire, die lesbische Bardame, welche mit ihren Mitte Fünfzig die älteste der WG ist. Der letzte Mitbewohner ist der undurchschaubare Theo.

Jeder dieser 5 Bewohner hat seine eigenen Sorgen und Probleme. Aber auf dem engen Raum werden sie sich arrangieren müssen.

Durch die unterschiedlichen Charaktere und die damalige Zeit hat das Buch seinen ganz eigenen Charme. Es gibt keinen Charaktere den man von Beginn an nicht mag, sie entwickeln sich in den Jahren der Geschichte jeder für sich weiter. Mal in eine schlechte Richtung, mal in eine gute Richtung und man freut, hofft, leidet und trauert mit ihnen zusammen.

Die unterschiedlichen Sichtweisen auf die damalige Politik ist gelungen umgesetzt. Wie schnell jemand in eine politische Richtung kommt, nur weil er ein Mitläufer ist und leicht beeinflussbar. Genauso wird dargestellt, wie jemand von Beginn an überzeugt von seiner Einstellung ist und am Ende doch aus der Partei entlassen wird.

Johanna Friedrich schafft durch ihren Schreibstil eine Atmosphäre, welche einfühlsam, emotional und hoffnungsvoll ist. An Hand der guten Darstellung der damaligen Zeit ist zu erkennen, dass es eine sehr gute Recherche gab. Die Details aus der Epoche wirken glaubwürdig und echt.

Den Debütroman der Autorin kann ich nur jedem empfehlen, der historische Bücher mag und gerne in die 20er Jahre eintauchen möchte.