Rezension

Konnte meine Erwartungen nicht erfüllen

Sommer der Wahrheit - Nele Löwenberg

Sommer der Wahrheit
von Nele Löwenberg

Bewertet mit 1.5 Sternen

Nebraska, 1994. Die fünfzehnjährige Sheridan Grant lebt mit ihren Adoptiveltern und vier Brüdern auf einer Farm. Sie leidet unter dem strengen Regime ihrer Mutter, sehnt sich nach Freiheit und möchte ihre musikalischen Talente ausleben. Als ihre Tante Isabella in die Nähe zieht, ist dies für Sheridan ein kleiner Lichtblick. Sie ist ihr eine Stütze und gewährt ihr außerdem freien Zugang zu ihrer Büchersammlung. Dort stößt Sheridan auf erotische Literatur, die sie ihre eigene Sexualität entdecken lassen. Außerdem findet sie heraus, dass ihre Eltern ihr bezüglich ihrer Herkunft einiges verschwiegen haben…

Ich habe die ersten Seiten des Buches als Leseprobe gelesen. Diese haben mir recht gut gefallen, weshalb ich mich überhaupt für dieses Buch entschieden habe. Auf den ersten 30 Seiten lernt man Sheridan als fünfzehnjähriges, unbeschwertes Mädchen kennen, das sich nach mehr Freiheit lehnt. Sie verbringt Zeit mit ihrer Clique und verliebt sich zum ersten Mal, bis ihre Eltern ihr nach einem Zusammenstoß mit der Polizei den Umgang mit ihren Freunden verbieten. Welchen Weg wird sie als Reaktion einschlagen? Ich war neugierig auf ihre Entwicklung und was sie über ihre Herkunft herausfinden wird.

Was habe ich erwartet? Vielleicht einen interessanten Roman über das Erwachsenwerden mit der ersten großen Liebe und einem überraschenden Familiengeheimnis. Ganz sicher aber nicht das, was ich stattdessen bekommen habe.

Nach dem Anfang, in dem Sheridan lebensfroh und ein wenig starrköpfig wirkt und dafür kämpft, ihre Leidenschaft für Musik leben zu dürfen, macht sie mit der Entdeckung ihrer Sexualität eine 180-Grad-Wendung durch. Diese nimmt immer mehr Platz ein und die Art und Weise, wie Sheridan ihren Körper mit fünfzehn Jahren einsetzt, hätte ich ihr nach dem Beginn nicht zugetraut. Schockiert las ich mich durch Szenen, in denen sie sich als große Verführerin sieht, letztlich aber wie ein kleines Naivchen verhält, das die Männer heiß macht und sich dann wundert, dass diese sie ausnutzen. Beziehungen zu deutlich älteren Männern und versuchte Vergewaltigungen sind nur einige Beispiele für die Szenen, die sich aneinander reihten und bei mir zu einem dauerhaften Stirnrunzeln führten. Letztendlich wollte Sheridan mit so ziemlich jedem Mann ins Bett, der in diesem Buch vorkommt. Ich fand ich Verhalten unglaubwürdig, Sheridan wurde mir zunehmend unsympathischer und die Häufung der Schicksalsschläge war mir einfach zu viel des Guten.

Was hatte das Buch sonst noch zu bieten? Es gibt viele Szenen im Kreise ihrer Familie. Sheridans boshafte Adoptivmutter Rachel kann sich hier alles erlauben kann, ohne dass sie jemand in die Schranken weist. Sie lässt ihren Hass an Sheridan aus und schützt ihren Liebling, ihren jüngsten Sohn Esra, der sich nicht minder abscheulich verhält wie seine Mutter. Beide zeigen im gesamten Buch nicht die geringste Einsicht oder Entwicklung und sind einfach abgrundtief böse. Ihrem Vater fehlt hingegen jegliches Rückgrat und er kann nur geringe Siege zu Sheridans Gunsten erringen, bevor er wieder von der Bildfläche verschwindet. Sheridans drei andere Brüder bleiben leider sehr blass und machen sich erst sehr spät für sie stark, als es schon zur totalen Eskalation gekommen ist.

So wie Sheridans Vater sie nicht nachhaltiger vor den Schikanen seiner Frau schützt, so liegt es auch an ihm, dass das Familiengeheimnis nicht aufgedeckt wird, denn das von ihm angekündigte Gespräch wird nicht um Monate, sondern Jahre verschoben. So muss sich Sheridan die Fakten selbst zusammenklauben. Den ersten Teil des Geheimnisses konnte man schnell erraten und er wurde auch schnell aufgedeckt. Danach gerät das Geheimnis lange Zeit in den Hintergrund und wird nur gelegentlich erwähnt, um dann auf den allerletzten Seiten in Windeseile aufgeklärt zu werden. Über weite Strecken des Buches haben mich die Beschreibungen in ihrer Ausführlichkeit gelangweilt, und auf den letzten Seiten ging es mir dann alles zu schnell.

„Sommer der Wahrheit“ ist meinen Erwartungen nicht gerecht geworden. Was Sheridan in drei Jahren alles erleben muss, war einfach zu viel des Guten. Was als nette Familiengeschichte mit einem lebensfrohen Mädchen beginnt, wird bald zu einem Roman, in dem ich keinerlei Verständnis mehr für die Charaktere aufbringen konnte. Sheridans freizügiges Verhalten vor allem älteren Männern gegenüber und die Schikanen ihrer Mutter nehmen den meisten Raum ein und ich habe dem nichts abgewinnen können. Ich vergebe 1,5 Sterne, da das Buch bis zur ersten Sexszene noch ganz nett war und ich die Szenen, in denen Sheridan ihre musikalische Begabung auslebt, mochte. Insgesamt war das Buch für mich allerdinge eine absolute Enttäuschung.