Rezension

Spannender historischer Roman

Der Klang der Lüge - Liv Winterberg

Der Klang der Lüge
von Liv Winterberg

Bewertet mit 5 Sternen

„…Er machte sich ihre Angst zum Freund und achtete zu Beginn des Vernehmens darauf, die Vorgeladenen in Sicherheit zu wiegen…“

 

Sybilla befindet sich im Wald, als sie beobachtet, wie eine Mutter ihr Baby aussetzt, weil sie es  als Wechselbalg betrachtet. Sybilla nimmt das kleine Mädchen mit.

18 Jahre sind vergangen. Wir schreiben das Jahr 1308. Hans und Hugo, zwei junge Juden, sind unterwegs nach einer neuen Heimat. Sie mussten Paris verlassen. Alissende, eine junge Frau, begleitet sie. Nach dem Tode von Sybilla war sie in die Familie von Hans und Hugo gekommen.

Hunger und Angst vor Verfolgung waren die ständigen Begleiter ihrer Reise. In der Nähe von Sèriol

treffen sie auf den Katharer Benoit. Er nimmt sie mit ins Dorf und gibt ihnen Essen und Arbeit.

Hans und Hugo ahnen bald, dass sie vom Regen in die Traufe gekommen sind, denn der Bischof verfolgt die Katharer.

Die Autorin hat, angelehnt an ein reales Geschehen, einen abwechslungsreichen historischen Roman geschrieben. Im Mittelpunkt steht der Handlung  Alissende. Die junge Frau sehnt sich nach einer Heimat und Geborgenheit. In der Familie von Benoit fühlt sie sich wohl. Sie hat Aufgaben, die sie ausfüllen, und wird ohne Wenn und Aber akzeptiert.

Das Buch lässt sich flott lesen. Die spannende Handlung und kurze Kapitel fördern den Lesefluss.

Dabei ergibt sich die Spannung nicht nur aus dem äußeren Geschehen. Der Einfluss von außen ändert das Verhalten der Protagonisten und ihre Beziehungen zueinander. Der Autorin ist es sehr gut gelungen, aufzuzeigen, was Angst und geschickte psychologische Beeinflussung anrichten können.

Aus Miteinander wird Gegeneinander.

Der Sprachstil des Buches ist der heutigen Zeit angeglichen. Poetische Beschreibungen der Natur wechseln mit spitzfindigen Gedanken des Bischofs. Obiges Zitat ist seiner Gedankenwelt entnommen. Die Verwendung von Metaphern und das treffende Wiedergeben von Emotionen gehören zu den Stärken der Autorin.

Liebe und Hass, Zuneigung und Ablehnung, Mut und Angst, Hilfsbereitschaft und Egoismus – all diese Themen finden sich in der kleinen Dorfgemeinschaft. In Zeiten der Not wächst mancher über sich hinaus, während bei anderen die Furcht über das Mitgefühl siegt.

Es ist ein historischer Roman, aber der aufmerksame Leser wird mögliche Parallelen zur Gegenwart finden.

Eine Personenübersicht zu Beginn sowie ein Glossar und ein Nachwort zum historischen Hintergrund am Schluss ergänzen die Handlung.

Das in hellem Beige gehaltene Cover mit den Zweigen ist für einen historischen Roman eher ungewöhnlich.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es hat das Verhalten der Menschen in einer besonderen historischen Situation  umfassend beleuchtet.