Leserunde

Leserunde zu "Gebranntes Kind sucht das Feuer" (Cordelia Edvardson)

Gebranntes Kind sucht das Feuer -

Gebranntes Kind sucht das Feuer
von Cordelia Edvardson

Bewerbungsphase: Bis zum 17.08.

Beginn der Leserunde: 24.08. (Ende: 14.09.)

Im Rahmen dieser Leserunde stellen wir – mit freundlicher Unterstützung des Hanser Verlags – 20 Freiexemplare von "Gebranntes Kind sucht das Feuer" (Cordelia Edvardson) zur Verfügung. Eine Leseprobe zum Buch findet ihr hier.

Wenn ihr eines der Freiexemplare gewinnt, diskutiert ihr in der Leserunde mit, tauscht euch über eure Leseerfahrungen aus und veröffentlicht am Ende eine Rezension zum Buch.

ÜBER DAS BUCH:

Cordelia Edvardsons Roman ist „eines der großen Werke der Holocaust-Zeugenschaft“. (Daniel Kehlmann) – Eine literarische Wiederentdeckung 
„Das Mädchen hatte schon immer gewusst, dass etwas mit ihm nicht stimmte.“ Cordelia, unehelich geboren, ist eine „Dreivierteljüdin“, ihre Mutter eine berühmte Schriftstellerin und glühende Katholikin. Im entscheidenden Moment schützt diese nicht ihre Tochter, sondern rettet sich selbst. Mit 14 Jahren wird Cordelia Edvardson nach Auschwitz deportiert. 
Ihr Roman ist die schmerzhafte Annäherung an den Verrat durch die eigene Mutter, die tastende Suche nach einer Identität, der Versuch, dem Grauen der Vergangenheit ungeschützt ins Gesicht zu sehen. 

ÜBER DIE AUTORIN:

Cordelia Edvardson, 1929 in München geboren, lebte bis 1943 mit ihrer Mutter, der Schriftstellerin Elisabeth Langgässer, in Berlin. Mit vierzehn wurde sie über Theresienstadt nach Auschwitz deportiert. Nach Kriegsende arbeitete sie als Journalistin in Schweden. Während des Jom-Kippur-Krieges 1973 übersiedelte sie nach Israel. Für Gebranntes Kind sucht das Feuer (Hanser, 1986) erhielt sie den Geschwister-Scholl-Preis. Sie starb 2012 in Stockholm.

14.09.2023

Thema: Lektüre Teil l; Seite 1 bis 97

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Aline Kappich kommentierte am 28. August 2023 um 09:10

Buchjule kommentierte am 27. August 2023 um 00:36

Ich mache dann mal den Anfang. Ich brauche einige Seiten, um mich in den ersten Teil einzufinden. Der Schreibstil fängt mich sofort ein, dennoch befremdet mich die Distanz der Erzählperspektive anfangs. Doch am Ende des ersten Teils denke ich, dass diese Distanz die Eindringlichkeit des Geschilderten noch verstärkt. "Das Mädchen" bewegt und berührt mich sehr. Obwohl man als Leser schon weiß, dass sie am Ende zu den Überlebenden zählt, halte ich beim Lesen den Atem an. Das Grauen wird so sachlich und doch berührend erzählt, dass ich das Buch stellenweise aus der Hand legen muss.

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lielo99 kommentierte am 29. August 2023 um 19:58

So ging es mir auch. Immer wieder mal eine Pause einlegen, sonst halte ich das nicht aus. 

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dj79 kommentierte am 02. September 2023 um 15:22

Die Distanz macht mich fertig. Cornelia, die Autorin, spricht von sich in der Dritten Person, die Ganze Zeit "Das Mädchen" und zuletzt "Die Frau". Ich glaube, Cordelia braucht diese Distanz, um über die eigenen Erlebnisse zu berichten, zu schlimm, um sie jemals wieder an sich ran zu lassen. Erlebnisse, die einfach nicht zu verarbeiten sind.

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lillywunder kommentierte am 03. September 2023 um 13:45

Ich habe auch zwischendurch Pausen eingelegt, das Grauen in Ausschwitz ist einfach so unvorstellbar...

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FIRIEL kommentierte am 05. September 2023 um 13:29

Die Erzählerin braucht die Distanz. Wir Leser ebenso. Und diejenigen, die durch diese Hölle gingen, brauchten sicherlich auch ihre Wege, um das durchzustehen und nicht wie ein "Muselman" sich aufzugeben.

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lielo99 kommentierte am 29. August 2023 um 19:58

Ich war sofort mit dem Schreibstil vertraut. Also direkt in der Geschichte drin. Was mich zunächst störte, das war der abrupte Schwenk ins KZ. Da es sich aber dann stets wiederholte, gewöhnte ich mich daran. Ein heftiges Buch und leider kein Roman. Alles, was das Mädchen schrieb, hat sie so erlebt. Und das ist für mich das Grausame. 

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PeWie kommentierte am 29. August 2023 um 21:12

Es ist als ob das Mädchen sich nicht festegen kann, was schlimmer war, die Zeit im KZ oder die Zeit davor, die Angst, die Verachtung und die mangelnde Fürsorge ihrer Mutter.

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lielo99 kommentierte am 30. August 2023 um 19:44

Ja, das wird es sein. Beide Dinge sind für ein Kind kaum zu ertragen. 

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sunshine-500 kommentierte am 31. August 2023 um 15:18

"Was mich zunächst störte, das war der abrupte Schwenk ins KZ.

Bei ersten abrupten Schwenk in KZ, war ich auch etwas verdutzt, ich dachte ich hätte etwas überlesen!

 

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FIRIEL kommentierte am 05. September 2023 um 13:31

Ich brauchte auch ein paar Zeilen, um zu gegenwärtigen, von wo aus nun erzählt wird.

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dj79 kommentierte am 02. September 2023 um 15:25

Dieses Hin- und Herschwenken hat mir gut gefallen, weil so verständlicher wird, warum sich "Das Mädchen" selbst als Belastung für alle Anderen empfindet. In ihrem Zuhause hatte ich diese Haltung zunächst etwas befremdlich empfunden.

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lillywunder kommentierte am 03. September 2023 um 13:53

Die Wechsel zwischen ihrem Zuhause und der Zeit im KZ konnte ich ganz gut einordnen, bloß in die Zeit im jüdischen Krankenhaus zum Beispiel hatte ich mich Schwierigkeiten einzufinden... Aber grundsätzlich gefällt mir der Stil mit den abrupt wechselnden Szenen.

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FIRIEL kommentierte am 05. September 2023 um 13:32

Das jüdische Krankenhaus als Zwischenstation war mir auch ganz neu; davon hatte ich noch nie etwas gelesen. Was hat dich in diesem Kapitel so irritiert?

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PeWie kommentierte am 29. August 2023 um 21:10

Das Grauen, die Schmerzen und all das Unaussprechliche wird durch die ungeheure Distanz in der Sprache überdeutlich. Es ist intensiver als wenn sie als Ich Erzählerin geschreiben hätte. 

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westeraccum kommentierte am 30. August 2023 um 10:14

Ja, das sehe ich auch so. Diese vermeintliche Distanz schafft einen Sog, der mich mitten in die Geschichte hineingezogen hat.

 

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Biggieule kommentierte am 30. August 2023 um 14:10

PeWie, das empfinde ich ebenso.
Ich habe mich zwar erst an die konsequente Nutzung der Dritten PErson gewöhnen müssen, aber rückschauend muss ich sagen, es macht die ohnehin schon grausame Geschichte noch eindringlicher.

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sunshine-500 kommentierte am 01. September 2023 um 11:20

Ich habe es auch so empfunden. Ich denke auch nur aus der sprachlichen Distanz konnte sie von ihrem Schicksal, dem Grauen, der Schmerzen berichten.

 

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westeraccum kommentierte am 30. August 2023 um 10:21

Eigentlich bin ich eine Schnellleserin, aber bei diesem Buch muss ich doch immer eine Pause einlegen und habe in vier Tagen gerade mal den ersten Leseabschnitt geschafft.

Die ersten zehn Seiten brauchte ich, um mich zu orientieren, aber dann hatte ich die beiden Zeitebenen verstanden und es ging besser.

Es ist sehr bedrückend zu lesen, wie das Mädchen bzw. die Autorin immer weiter ins Abseits gedrängt wird. Sie empfindet Scham über ihren Zustand als Außenseiterin, wo sie doch eigentlich wütend sein sollte, aber das ist eine menschliche Reaktion.

Die Distanz, die die Autorin zu ihrem "früheren" Ich aufbaut, um die Geschichte erzählen zu können, ist ja auch ein Schutz vor der Wucht der Erinnerungen.

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Langeweile kommentierte am 31. August 2023 um 17:08

Ich sehe es auch so,dass diese Distanz nötig ist, um die Erlebnisse zu ertragen, einfach schrecklich.

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Langeweile kommentierte am 31. August 2023 um 17:08

Ich sehe es auch so,dass diese Distanz nötig ist, um die Erlebnisse zu ertragen, einfach schrecklich.

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Langeweile kommentierte am 31. August 2023 um 17:09

Ich sehe es auch so,dass diese Distanz nötig ist, um die Erlebnisse zu ertragen, einfach schrecklich.

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Biggieule kommentierte am 30. August 2023 um 14:07

Mir ging es wie westeraccum. 
97 Seiten lese ich normalerweise an einem Tag, hier habe ich jedoch länger gebraucht, weil mich das 
Buch so betroffen gemacht hat, dass ich es öfters aus der Hand legen musste.
Auch ich habe erst eine Zeit gebraucht, ehe ich mich an den konsequent durchgezogenen Erzählstil in der dritten Person gewöhnt hatte, schafft doch diese Art des erzählens eine gewisse Distanziertheit.
Daneben musste ich mich auch erst an den  teils abrupten Wechsel der Zeitebenen gewöhnen.
Es wird von den Jahren vor der Deportation erzählt, die für Cordelia auch alles andere als schön waren, und dann plötzlich berichtet sie von der Deportation und der Zeit in Theresienstadt. 
Ich habe schon viel über dieses Thema gelesen, aber diese kühlen und distanzierten Bericht waren für mich am Rande des Erträglichen.
Besonders nach der Passage auf Seite 92, in der sie eine Episode beschreibt, in der eine Frau ihr Kind mit ins Lager gebracht hat, Mengele sie zu überreden versuchte, das eigene Leben zu retten, in dem sie sich von dem Kind trennt und die Muttersich weigert und diese letztlich zusammen mit dem 
KInd in die Gaskammer geht. 
Was für ein Kontrast zu der eigenen Mutter des Mädchens, die zugelassen hat, das Cordelia freiwillig neben der spanischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit akzeptiert und damit gleichsam ihrem Abtransport in ein Lager zustimmt.

 

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dj79 kommentierte am 02. September 2023 um 15:33

Die Mutter, die ihr Kind in die Gaskammer begleitet, fand ich bewundernswert. Sie erzählt ihrem Kind etwas, hält es an der Hand, nimmt ihm die Angst und begleitet es in den Tod. Eine grausame Szenerie, die man nie auch nur im Ansatz verdrängen kann, wenn man dabei war. Andererseits kann ich mir mehr Liebe als die von der Mutter für das Kind nicht vorstellen.

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FIRIEL kommentierte am 05. September 2023 um 13:35

Vor dieser Mutter habe ich Hochachtung. Ich weiß nicht, wie ich reagiert hätte.

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Martinchen kommentierte am 30. August 2023 um 17:40

Der distanzierte Schreibstil geht mir unter die Haut, genauso wie die zu Beginn unvermittelten Erinnerungen an das Grauen. 

Ich finde es bemerkenswert,  dass das " Mädchen" von Beginn an "nicht dazugehört". Sie nennt sich dann eine "Auserwählte", wobei damit in meinen Augen dieses Anders sein beschönigt wird. Durch die Distanz wird nicht immer deutlich, wie sehr sie darunter gelitten haben wird. 

Das Verhältnis zur Mutter kann ich noch nucht richtig deuten. Die Mutter versucht, ihre Tochter zu retten (die Verstecke, die Adoption) oder ihr die Wahrheit zu ersparen (der Verweis von der Schule), sie begleitet sie ins Hauptquartier, verlangt ihr dann aber die Entscheidung ab. Warum wurde Delia nicht zur Flucht verholfen? Auf dem Foto, das Delia findet, wird von "Liebe und Schmerz" gesprochen. War die Distanz immer vorhanden oder erscheint Delia es im Nachhinein so?

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PeWie kommentierte am 30. August 2023 um 20:38

Eine Auserwählte zu sein muss nicht unbedingt positiv sein. Ich denke an Schulhofmobbing da wird auch ein Kind auserkoren das Opfer zu sein. Auserwählt heißt für mich nur das andere die Person aus einem bestimmten Grund gewählt haben. Sei es wegen besonderer Fähigkeiten, Aussehen oder in diesem Fall wegen der Herkunft.

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Martinchen kommentierte am 30. August 2023 um 21:15

Dem kann ich folgen. Ich habe es so verstanden,  dass sie sich selbst so bezeichnet. 

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Adelebooks kommentierte am 30. August 2023 um 20:54

Mit der Mutter geht es mir ähnlich. Ich habe den Eindruck, sie hat ganz viele eigene Probleme, mit sich selbst und ihrem Platz in der Welt. In diesem ihr begrenzten Rahmen versucht sie was sie leisten kann als Mutter, auch wenn das (ganz offensichtlich) nicht genug ist. 

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Langeweile kommentierte am 31. August 2023 um 17:06

Mit dem Begriff "Auserwählte " habe ich lange Zeit gehadert .

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lillywunder kommentierte am 03. September 2023 um 16:57

Ich denke, dass das "Auserwähltsein" es als Kind ihr Weg war, den für sie nicht nachvollziehbaren Ausschluss in etwas umzudeuten, das sie handhaben kann, eine Rolle, die sie für sich annehmen kann, ohne daran zugrundezugehen...

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Adelebooks kommentierte am 30. August 2023 um 20:50

 

Nach den ersten 100 Seiten muss ich erstmal Luft holen. Am Anfang bin auch ich etwas schwer in die Erzählung gekommen und vermute das liegt am nüchternen Stil und der 3. Person, in der über „das Mädchen“ geschrieben wird. Es lässt fast erschaudern, welche Details und Beobachtungen die Autorin teilt. Der nüchterne Stil und die 3. Person sind ihr Weg Distanz zu schaffen, das Unsagbare, das Unbegreifbare trotzdem auszudrücken. Ebenso wie sie als junges Mädchen sich selbst eine Art Apathie und Gefühllosigkeit angeeignet hat, um im Lager zu überleben. Vielleicht ist aber auch gerade diese „Strategie“ und das Erleben in Gefühllosigkeit und Nebel der Grund, warum sie im Nachgang gar nicht anders über das Erlebte schreiben kann. Denn das distanzierte Schreiben ist das Äquivalent zu ihrem Empfinden und damit auch Erinnern der Erlebnisse. 
Beim Lesen sind mir einige Passagen und Sätze begegnet, nach denen ich - auch aufgrund des nüchternen Stils - erstmal innehalten musste, um darüber nachzudenken, was ich da eigentlich wirklich gerade gelesen habe, in allen furchtbaren Implikationen, die das Geschriebene hat. Stellenweise sprengt dies für mich die Vorstellungskraft. Stark in Erinnerung ist mir das Bild geblieben in dem Cordelia Edvardson einen Vergleich zu Bratäpfeln zieht. Hier das Sinnbild von Gemütlichkeit, da die Todesmaschinerie, in einem Satz.

Die Beziehung zur Mutter kann ich noch nicht richtig deuten und einordnen. 

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Langeweile kommentierte am 31. August 2023 um 17:04

Ich habe das Buch an drei aufeinanderfolgenden Tagen gelesen,was ungewöhnlich für mich ist. Die wenigen Seiten hätte ich normalerweise in kurzer Zeit gelesen,hier brauchte ich aber aber aufgrund des bedrückenden Themas, immer wieder längere Pausen.

Zuerst tat ich mich mit dem Schreibstil etwas schwer, dann gewöhnte ich mich jedoch daran, dass immer in der dritten Person geschrieben wurde, was eine gewisse Distanz beinhaltete.Man vermag sich kaum vorzustellen, was dieses Kind ertragen musste. Es erscheint doppelt so schwer, weil sie das meiste mit sich selbst ausgemacht hat und sehr viel in sich verschlossen hat.Was ist schlimmer ,der Verrat durch die Mutter ,oder das KZ?

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FIRIEL kommentierte am 05. September 2023 um 13:37

Hat die Mutter sie tatsächlich verraten?

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sunshine-500 kommentierte am 01. September 2023 um 11:35

Als ich das Buch ausgepackt habe war mein erster Gedanke, das ist schnell gelesen! Doch mir ging es wie vielen von euch, nach einigen Seiten brauchte ich immer wieder Zeit um das Gelesenene zu verarbeiten, anteils wegen des Schreibstils und der abrupten Themenwechsel, zum Anderen hat mich das Schicksal des Mädchens sehr betroffen gemacht.
Ich habe schon viel über die NS - Zeit gehört und gelesen, doch es haut mich immer wieder vom Hocker. Schon schieben sich Bilder vor mein inneres Auge, die wir im Geschichtsunterricht sahen, von befreiten Menschen aus den Konzentrationslagern.

Ich bin ebenfalls der Meinung, dass die sprachliche Distanz die Eindringlichkeit des Geschilderten noch verstärkt.

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dj79 kommentierte am 02. September 2023 um 15:37

Macht doch nichts, wenn das Lesen länger dauert. Entscheidend ist, dass uns dieses Buch etwas gibt. Bisher stehen Schrecken und Grausamkeit im Vordergrund.

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dj79 kommentierte am 02. September 2023 um 15:53

Der erste Leseabschnitt umfasst mehr als das halbe Buch. Das ist ungewöhnlich für WLD, passt aber zur Bucheinteilung.

Das Lesen ist etwas trocken, gleichzeitig aufwühlend. Dieser Abschnitt lässt mich erschüttert und traurig zurück. Trocken wirkt der Text für mich durch die geschaffene Distanz, doch anders als sonst stört mich das nicht. Es passt zum Inhalt. Hier wäre ein reißerischer Stil unangebracht. So können wir uns in selbst gewählten Schritten, in einer Geschwindigkeit, die das Gelesene verarbeiten lässt, mit dem dunkelsten Kapitel unserer Geschichte auseinander setzen.

Cordelia ist eine faszinierende Persönlichkeit. Schon als sehr kleines Kind erfährt sie Ausgrenzung und Ablehnung, bleibt die ganze Zeit aufrecht. Gebrochen wirkt sie erst in der Lagerwelt, weil sie immer wieder erkennt, dass ihr Überleben nur Zufällen zu verdanken ist. Die Szenerie mit den Hunden fand ich hierfür bezeichnend.

Cordelia's Mutter nehme ich zwiespältig wahr. Mit dem eigenen Muttersein ist sie überfordert, Gefühle für das Kind zeigen, es umsorgen, das kann sie nicht wirklich. Doch wenn es um das Überleben der Tochter geht, unternimmt sie viel, um Cordelia zu retten. Irgendwann konnte auch sie dann nichts mehr für ihre Tochter tun.

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lillywunder kommentierte am 03. September 2023 um 17:12

Was für eine Lebensgeschichte. Das Buch bedarf keinerlei Dramatik, beschreibt das Grauen absolut nüchtern und trifft einen ins Mark. Gerade die Szenen, in denen Menschen "aussortiert" werden, so furchtbar. Wie sehr in diesen Momenten deutlich wird, was Menschen einander anzutun in der Lage sind und was sie auf der anderen Seite bereit sind, füreinander zu tun. Was ich sehr eindrücklich finde, ist die Beschreibung des Grauen Niemandslandes, wo kein Platz ist für jegliche Gefühle, kein Zorn, keine Hoffnung, kein Schmerz. Die Entmenschlichung hat fast alles Menschliche genommen und zu diesem dumpfen Schockzustand passt die distanzierte Erzählung aus der dritten Person. Kurze Momente, in denen sie als Mensch wahrgenommen wird, bedeuten ihr alles. Wer sich mit griechischen Mythen auskennt (ich nicht), wird vermutlich noch mehr von den Bildern verstehen, es ist ihr Art, die Welt in diesen Vergleichen zu sehen, die sie von der Mutter geerbt hat. Dass sie nicht nur das Grauen das KZs durchmachen musste, sondern gleichzeitig auch von ihrer Mutter verraten wurde, das muss wirklich unerträglich sein. Ich bin sehr froh, diesen Zeitzeugenbericht zu lesen.

 

 

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FIRIEL kommentierte am 05. September 2023 um 14:10

Ich mache mir Gedanken über Cordelias Mutter. Ich kann sie nicht nur ablehnen und beschuldigen.

Sie hat ihre Tochter bekommen und nicht abgetrieben, obwohl das Leben als alleinerziehende Mutter damals sehr schwierig war. Sie versuchte, Cordelia zu retten; es war nicht leicht, diese Adoption einzufädeln. Die Mutter war als Halbjüdin selbst gefährdet; sie hatte schon ein Publikationsverbot. Sie hatte drei weitere jüngere Töchter. Sie hatte Multiple Sklerose, und ich kann mir nicht vorstellen, dass das damals schon gut behandelt werden konnte. 

Und außerdem war sie anscheinend ein schwieriger Charakter oder psychisch labil. Hier bräuchten wir Einschätzungen auch von anderen Seiten. Ich schließe aus Cordelias Erinnerungen, dass die Mutter zumindest teilweise aus der Realität flüchtet. Cordelia sieht die Schwächen ihrer Mutter: "Wie immer erdichtete und erschuf sie ihre eigene Wirklichkeit, die Welt, die sie genau in diesem Moment brauchte." (S. 25) 

Und: Die Mutter braucht die Tochter, genau wie umgekehrt. Die Szene mit dem "Strickbrüstchen" (S. 10), zeigt, wie sie sich Trost und Kraft bei dem Säugling holt. Diese Mutter ist keine starke Beschützerin. Schlimm für die Tochter: Sie schafft es kaum, ihr ihre Liebe zu zeigen.

Dass sich Cordelia nicht geborgen fühlt, ist gut nachvollziehbar. Dass sie nach der langen Trennung und ihren unvorstellbar schrecklichen Erfahrungen nicht nach Deutschland in ihre Herkunftsfamilie zurückkehrt, ebenso. Sie ist sicherlich in vieler Hinsicht von ihrer Mutter enttäuscht. Aber immerhin widmet sie ihr Buch ihren drei Müttern, und Elisabeth gehört dazu. 

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FIRIEL kommentierte am 05. September 2023 um 15:44

Zu denangesprochenen Mythen: Ich kenne auch nicht alle. Proserpina wird mehrfach erwähnt - sie wird von Gott Hades, dem Herrscher über die Unterwelt, entführt und zur Frau genommen. Ihre Mutter kann sie nicht beschützen, aber immerhin erreicht sie, dass sie nur die Hälfte des Jahres dort verbringen muss und in der anderen Hälfte auf die Erde zurückkehren darf. 

Orpheus, der mit seiner Musik alle Herzen bewegt, hat seine verstorbene Frau Eurydike so sehr beklagt, dass ihm gestattet wurde, sie aus der Unterwelt zurückzuholen, doch darf er während des Weges sich nicht zu ihr umblicken. Da er das aber tut, muss sie bleiben und er kann sie nicht retten.

Was Pan mit der Unterwelt zu tun hat, weiß ich nicht.

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FIRIEL kommentierte am 05. September 2023 um 15:49

Katholische Religion

Hier gibt es viele, viele Hinweise. "Hinabgestiegen in das Reich des Todes" ist ein Zitat aus dem Credo, dem Glaubensbekenntnis. "Die Kraft und die Herrlichkeit" sind zwei der drei Elemente aus der Doxologie nach dem Vater Unser. Das Kind als Erlöser ist ein zentraler Glaubenspunkt.

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FIRIEL kommentierte am 05. September 2023 um 16:47

Den Namen "Cordelia" kenne ich nur von Shakespeares Drama "King Lear". Cordelia ist die dritte Tochter des Königs, sie ist ihm treu ergeben und liebt ihn, doch sie wird verleumdet und verstoßen.

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Cindyjoer kommentierte am 06. September 2023 um 13:42

Ich habe das Buch direkt nachdem es angekommen ist, innerhalb von zwei Tagen gelesen, komme aber erst jetzt dazu hier zu schreiben. 

Ich habe erst nicht so gut ins Buch reingefunden. Die anfangs doch recht schnellen und scheinbar zusammenhanglosen Sprünge in der Zeit und den Orten waren etwas verwirrend. 

Auch die teilweisen Abschweifungen zu diesen Gedichten, den Myhten usw. haben sich mir erst nicht erschlossen. 

Ja, die Autorin braucht diese Abschweifungen und die Distanz (das Mädchen, die Frau) um ihre Geschichte zu erzählen. Dennoch fand ich es für den Lesefluss etwas erschwerend. 

Die Geschichte ist, was sie verspricht. Das gelebte Grauen einer Überlebenden. 

Das Verhältnis zur Mutter kam mir zu keiner Zeit im Buch sehr innig oder herzlich vor. Sie hat aber durchaus versucht das Mädchen zu retten. Sie hätte mehr tun können, aber anscheinend war sie labil und sehr oft in ihrer eigenen Welt. 

Sie jedoch für die Deportation vollständig verantwortlich zu machen finde ich etwas unfähr. Ja sie hätte einschreiten können, hätte das Mädchen irgendwie früher aus dem Land schaffen können, aber auch das war recht schwierig und auch teilweise recht teuer. 

Wäre sie allerdings in diesem Büro eingeschritten, wäre sie verhaftet worden und das Mädchen wäre ohnehin deportiert worden. Also viele Optionen gab es da nicht. 

 

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Blforevr kommentierte am 12. September 2023 um 14:02

Auch ich habe das Buch bereits durch. Bei den ersten Seiten habe ich etwas gebraucht um reinzufinden. Die Zeitsprünge waren für mich doch etwas schwierig. Eine schreckliche Zeit und eine traurige Erinnerung für Cordelia. Es hat einen schon sehr mitgenommen. Die Möglichkeiten der Mutter Cordelia zu retten bzw. aus dem Land zu schaffen war wahrscheinlich ein Ding der Unmöglichkeit und ist auch mit viel Geld verbunden. Sie hat sicher nicht mit Absicht getan.

Thema: Lektüre Teil l; Seite 1 bis 97
Else kommentierte am 22. September 2023 um 20:24

Ich habe es endlich auch hierher geschafft. Ich war krank und konnte hier leider nicht eher etwas schreiben.

Ich brauchte drei Anläufe um gut in dem Buch anzukommen. Die Wechsel am Beginn, das Grauen und der distanzierte Erzählstil haben es mir anfangs schwer gemacht, dann war ich aber gefangen in der Geschichte und konnte das Buch kaum aus der Hand legen.

Zu wissen, dass dies alles sich so zugetragen hat und keine Fiktion vor realem Hintergrund ist, macht sehr betroffen. Ab und an mußte ich schwer durchatmen. 

Das Mädchen hatte es auch schon vor der Zeit im KZ nicht gut. Die Familie ist schwierig und die Mutter hätte ich nicht haben wollen. Sie versucht sich über ihre Gedanken (Auserwählt sein) darüber hinwegzutrösten, eine vertraute Person zum Austausch oder eine liebevolle stützende Person fehlen. 

Die Zeit im KZ ist grauenhaft, viele der "kleinen Ereignisse" machen sehr betroffen, das Verhalten der Inassen untereinander wird geschildert und es ist unmenschlich und hart. Unglaublich, dass sie da durch gekommen ist. 

Thema: Lektüre Teil l; Seite 1 bis 97
testethar kommentierte am 23. September 2023 um 23:41

Habe am am Anfang echt meine Schwierigkeiten mit dem Buch gehabt und immer nur ein paar Kapitel pro Tag geschafft, da mich das Buch schon mitgenommen hat. Das Grauen was da passiert ist, ist für uns unvorstellbar. Die distanzierte Schreibweise war anfangs echt ungewöhnlich, aber passt gut zum Buch. Die verschiedenen Zeiteben waren für mich anfangs etwas schwierig. Die letzten Kapitel des Abschnitt habe ich dann doch in einem Rutsch gelesen. Mal sehen was uns noch erwartet, da wir das Ende schon kennen.