Rezension

Anderssein in finsteren Zeiten

Unsre verschwundenen Herzen
von Celeste Ng

Bewertet mit 4 Sternen

Die amerikanische Gegenwart hat Celeste Ng in „Unsre verschwundenen Herzen“ verarbeitet, es ist eine Art Dystophie geworden. Wir sind in Cambridge an der Harvard-Universität. Um den 12jährigen Bird, der eigentlich Noah heißt, spinnt sich diese Familiengeschichte. Er lebt mit seinem Vater, einem Bibliothekar,  in einer kleinen Wohnung. Seine Mutter ist Asiatin, vor nunmehr drei Jahren ist sie gegangen, um ihre Familie zu schützen, denn ihr sieht man die Andersartigkeit sofort an und es ist gefährlich, als Asiat erkannt zu werden. PAO zu sein ist kein Verbrechen sagen sie. Nicht um ethnische Zugehörigkeit geht es ihnen, ausschlaggebend ist eher Patriotismus und Gesinnung. So zumindest die offizielle Lesart der Behörden. „Jeder wusste, dass Birds Mutter eine Person of Asian Origin war. Kung-PAOs nannten sie manche Kinder…“

Der Roman erinnert an die vorherige Regierung, die das Land mit ihrem Slogan „Amerika first“ tief gespalten hat. Die anti-asiatische Stimmung wurde auch angeheizt, als der damalige Präsident vom China-Virus sprach. Für Krisen wurde alles Asiatische verantwortlich gemacht,

ein großes Thema dieses Buches. Es wurde ein Gesetz erlassen - PACT genannt - in dem alles unter Generalverdacht stand, was nicht amerikanisch war. Ein Gesetz zur Erhaltung amerikanischer Kultur und Tradition. Birds Mutter Margret ist Schriftstellerin, die Suche nach ihr ist ein Erzählstrang. Man erfährt im Laufe der Geschichte, warum sie ihre Familie verlassen hat. Eines ihrer Gedichte „Missing Hearts“ wird zur Losung derer, die gegen dieses Regime angehen.  Auch verschwinden Kinder spurlos, die gegen den Willen ihrer Eltern den Familien entrissen werden. In den Bibliotheken – und nicht nur da – regt sich Widerstand, es werden Botschaften auf geheimen Wegen weitergegeben.

Ich mag das Buch, ich bin neugierig auf Birds Leben, will mehr von seiner Mutter wissen. Wird er sie wiedersehen? Er vermisst sie - diejenige, deren Bücher nicht mehr zu haben sind. Ausgemustert sind sie, genau so wie sie auch. Ihre Spuren sind verwischt, einfach nicht mehr vorhanden.

Und dann mag ich das Buch so überhaupt nicht. Der Ton, den Celeste Ng anschlägt, ist eine distanzierte Kühle. Eine düstere Welt, eine bedrückende Stimmung schwebt von Anfang an über der Geschichte. Es geht um die Ausgrenzung all derer, die nicht der Norm entsprechen, dieser nicht entsprechen wollen oder können. Die reale Welt schwingt im Hintergrund mit, die Autorin zeichnet ein realistisches Bild, in der Andersdenkende eingeschüchtert werden, die verfolgt und diskriminiert werden. Und doch gibt es immer wieder die anderen, die im Verborgenen helfen, die versteckte Botschaften weiterreichen.

Zwischen Traum und Realität sind „Unsre verschwundenen Herzen“ angesiedelt. Auch eine Geschichte über die Liebe zwischen Mutter und Sohn in dunklen Zeiten. Ein Roman, der nicht durchgehend unterhält, der von Hoffnung und Hoffnungslosigkeit erzählt, der auch berührende Momente einfängt mit einem Ende, das dann doch sehr plötzlich daherkommt.