Rezension

Die noch auserwähltere Auserwählte

Cassardim 1: Jenseits der goldenen Brücke - Julia Dippel

Cassardim 1: Jenseits der goldenen Brücke
von Julia Dippel

Bewertet mit 1 Sternen

Maia und ihre fünf Geschwister wissen, dass sie anders sind als andere. Das fängt schon mal damit an, dass sie alle uralt sind, aber trotzdem noch wie Kinder oder Jugendliche aussehen und auch deren Benehmen haben. Ihre Eltern versuchen unter allen Umständen, ihre Geheimnisse zu wahren und ziehen ständig um, außerdem sind sie in der Lage, mit Gedankenkontrolle die Kinder zu allem zu bringen, was sie wollen, einschließlich Vergessen, was sie gesehen haben. Nur Maia ist in der Lage, dieser Gedankenkontrolle zu widerstehen. Eines Tages bringen sie einen Gefangenen nach Hause und ab da ändert sich Maias Leben radikal. Sie gelangt in eine andere Welt, ihre eigentliche Heimat, und von jetzt an wird es richtig gefährlich.

Ich werde es nie verstehen, warum sich begeisterte Stimmen von Bloggern und Rezensenten überschlagen, wenn jedes Klischee aufgefahren wird, das irgendwo existiert. Mega gutaussehender Held, der kämpfen kann wie hundert andere, arrogant ist und Heldin wie Dreck behandelt? Kriegt ihr, hier, nehmt! Heldin, die noch auserwählter als auserwählt ist, noch königlicher als königlich? Hier, nehmt! Selbstverständlich verliert die Heldin beim Anblick der Heldenbrust des Helden sofort alle ihre Gehirnzellen und wird zu einem Pudding aus Begehren, sobald er ihr einen Blick aus seinen Sternenaugen zuwirft. (Keine Ahnung, was das bedeutet, vielleicht hat er eine Flutlichtanlage dahinter eingebaut?) Der Held findet es übrigens sehr cool, die Heldin in jeder erdenklichen Form öffentlich zu demütigen. Ein paar Sachen könnte man noch den Umständen zuschreiben, was aber gar nicht geht, ist Willenskontrolle und sexuelle Nötigung. Öffentliche sexuelle Nötigung in dem Wissen, dass er das darf, weil es die Gesetze so zulassen. Das ist aber in Ordnung, weil er so gutaussehend und heiß ist. 

An dieser Stelle frage ich mich immer wieder, ob ein buckliger, pickliger Typ mit Schmerbauch dasselbe Entzücken bei Heldin und Leserschaft auslösen würde. Nein? Warum denn nicht? An einer Stelle bringt der Held drei Unschuldige um, weil sie ihn erkannt haben. Wohlgemerkt derselbe Held, der ihnen einfach hätte befehlen können, ihn zu vergessen, weil er nicht nur so gutaussehend und heiß ist, sondern auch den stärksten Willen von allen hat. Na, macht ja nichts. Hauptsache, Maia schmilzt bei seinem Anblick dahin. So ein paar Morde kommen schließlich in den besten Familien vor. Übrigens bedroht der beste Freund des Helden die Heldin ebenfalls mit Mord. Reiner Freundschaftsdienst, weil er so ein guter Freund ist. Soll zeigen, wie loyal und treu er ist, und wie sehr den Helden alle mögen, die ihn wirklich kennen. Was bleibt? Die Frage, welchen Sinn es hat, dass die alle so uralt sind. Maia ist über 100, benimmt sich aber wie eine 16jährige. Es ist nicht so, als hätte irgendeiner dieser uralten Leute irgendeine Art von Lebenserfahrung aufzuweisen. Muss ich noch erwähnen, dass der Antagonist böse um des Böse-sein-Willens ist? Am Ende bleibt nur die Enttäuschung, dass jemand, der eigentlich gut und flüssig schreiben könnte, sich und sein Können für so was verschwendet.