Rezension

Ein Reihenauftakt mit großem Sogfaktor

Gameshow – Der Preis der Gier -

Gameshow – Der Preis der Gier
von Franzi Kopka

Inhalt:

Dank dem Vermächtnis ihrer Mutter lebt die 17-jährige Cass als „Platin“ ein angenehmes Leben. Sie kann sich mit ihren Freunden treffen, kann ohne Angst vor Kriminalität auf die Straßen gehen, und sich Freizeitaktivitäten, Lebensmittel sowie schöne Klamotten leisten.

Der Gedanke, irgendwann einmal zu den Purpurnen aufzusteigen oder gar in die Neutrale Zone zu wechseln, bleibt hingegen ein Traum. Für Ersteres müsste Cass Vater seine Coins verdoppeln, für Letzteres sogar vervierfachen.

Die gefährlichen Spiele, an denen die Bewohner der Roten Zonen teilnehmen müssen, um ihr Leben zu bestreiten, kann Cass täglich auf den Bildschirmen in der Stadt oder von zu Hause aus verfolgen. Der Kampf um Leben und Tod ist für sie ein gruseliges Ereignis, an dem sie, ihrer Mutter sei Dank, nie teilnehmen musste. Die Platins können es sich leisten zum Spaß kleine Wetten abzuschließen und mit diesen ihre Konten zu füllen.

Als Cass jedoch eines Tages nach Hause kommt, ändert sich ihr Leben von einem Tag auf dem anderen. Denn ihr Vater, den sie seit Längerem erfolgreich aus dem Weg gegangen ist, ist zu Hause. Er hat wieder getrunken und er hat einen Vorschlag, den er seiner Tochter unterbreiten möchte: Er möchte all sein Geld setzen. All das, was Cass' Mutter angespart hatte, um ihrem Mann und vor allem ihrer Tochter ein gutes Leben zu ermöglichen.

Eine sichere Wette plant Cass' Vater. Auf einen aufsteigenden Außenseiter. Cass müsse das kleine Vermögen einbringen, dass sie ihr Eigen nennt. Sollte der Sieg gelingen – und das sei sicher – dann könnten Vater und Tochter in die Neutrale Zone wechseln, dorthin, wo sich bereits eine von Cass besten Freundinnen befindet, dorthin, wo eine weitere bald ziehen wird.

Cass ist trotz dieses reizvollen Vorschlages nicht begeistert. Denn sollten Vater und Tochter verlieren, dann würden sie nicht einmal mehr in die Zone der Bronzenen wechseln können. Die Zone, in der jeden Tag ein Kampf ums Überleben tobt. In der jeder Coin kostbar und die Kriminalitätsrate unglaublich hoch ist. Ohne Geld auf dem Konto, ginge es direkt in die Rote Zone. Hier wäre man gezwungen selbst an den blutigen Spielen teilzunehmen. Um dort herauszukommen gäbe es nur eine einzige Chance: Der Gewinn in einer der großen Gameshows zu der nur die Besten der Besten zugelassen werden und die für die Teilnehmer in den meisten Fällen tödlich enden. Hier kann man froh sein, wenn man sich eine gefangene Ratten sichern und diese über dem Feuer als Mittagessen rösten kann.

Auf keinen Fall möchte Cass also bis aufs Familienvermögen zu Glücksspielen herausfordert werden, was auch damit enden kann, dass man sich letztendlich selbst als Wetteinsatz anbietet.
Doch was soll sie tun, wenn ihr Vater, solange sie noch nicht volljährig ist, die Vermögenssorge innehat?

 

Meinung:

Als ich das erste Mal den Klappentext von „Gameshow – Der Preis der Gier“ gelesen habe, wusste ich, dass ich diese Geschichte würde lesen müssen. Die gefährlichen Spiele, die die Wohlhabenden abhalten und darauf Wetten abschließen können. Die allgegenwärtige Angst vor dem sozialen Abstieg mit der unerbittlichen Konsequenz. All das erinnerte mich ein wenig an die Tribute von Panem. Eine Reihe, die ich einst verschlungen und geliebt habe.

Franzi Kopka liefert mit „Gameshow“ aber mehr als eine originelle Interpretation. Vielmehr eine neue Geschichte, die von der ersten Seite bis zur letzten zu fesseln weiß.

Die Argumente für das Buch sind mannigfaltig und schlagkräftig. Es hätte nicht einmal eines so detailreichen und kreativ erdachten worldbuilding gebraucht, um das Buch gut zu finden.

Nach dem 4. Weltkrieg lag die Welt in Schutt und Asche. Horace Scott, der Gründervater hat New London nach und nach wieder neu aufgebaut. Mittlerweile existiert hier eine Welt, die in unterschiedliche Kasten aufgegliedert ist. Das Prinzip Brot und Spiele, das schon im alten Rom erfunden wurde, ist hier gesellschaftstragend.

Diese Spiele variieren stark, was Schwierigkeitsgrad und Risiken betrifft. Ein Schwimmwettkampf klingt im ersten Moment vielleicht harmlos. Doch was ist, wenn das Becken mit Eiswasser gefüllt ist, in dem Piranhas schwimmen und nahezu unsichtbare Schnüre gespannt sowie tödliche Algen angepflanzt wurden? Die Teilnehmer erhalten Zusatzcoins, wenn sie Mitspieler während des Wettkampfes töten. Gegen einen Aufpreis können sie sich entsprechendes Material kaufen, mit dem sie ihre Mitstreiter sabotieren oder tödlich verletzten können.

Dieser Welt aus unterschiedlichen Kasten zu entkommen, ist nicht einfach. Ohne Blutgeld aus diesen Spielen ist ein sozialer Aufstieg nicht möglich.

Die plakativ gezeichneten Charaktere machen sich großartig in der Story. Allen voran möchte ich hier die Protagonistin Cass benennen. Ein 17-jähriges Mädchen, das mit dem Verlust ihrer Mutter und dem Leben mit einem alkohol- und spielsüchtigem Vater zu kämpfen hat. Cass ist eine Kämpfernatur durch und durch. Wenn das Leben mit Rückschlägen aufwartet, dann fällt sie vielleicht mal in ein tiefes Loch. Doch irgendwann steht sie auch wieder auf und macht weiter. Was mir an Cass gefallen hat, ist, dass sie auch mal dazu neigt Tränen zu vergießen und nicht – wie Protagonisten ähnlicher Bücher – stets nur Stärke zeigt.

Aber auch die Nebenfiguren sind mir bei diesem Buch schnell ans Herz gewachsen. Zwei davon möchte ich hier stellvertretend für die anderen vorstellen. So trifft Cass im Verlauf des Buches zum Beispiel auf zwei hochrangige Spieler. Jax und seinen besten Freund Enzo.

Jax lebt für das Spiel. Alles, was er will, ist die Gameshows gewinnen. Auch, wenn er nicht vor hat, sich in irgendwen zu verlieben, so hat er doch seinen kleinen Girliefanclub. Mädchen, die er einst gerettet hat und die ihn vergöttern und für ihn schwärmen. Dazu kommt eine beste Freundin, von der niemand verstehen kann, warum er sie stets beschützt. Denn Val ist garstig, sie ist abweisend und in allem, was sie unternimmt tödlich.

Enzo hingegen ist eine absolute Frohnatur. Ihm liegt stets ein kesser Spruch auf den Lippen. Er ist die Schulter zum Anlehnen, aber auch der Freund, der einem kleinen lustigen Scherz auf Kosten seines Gegenübers nicht abgeneigt ist.

Als Vielleserin kann ich behaupten, ähnliche Konstellationen in Jugendbüchern gelesen zu haben: Bester lustiger Freund, verschlossener Loveinterest, toughe Protagonistin. Oft wirken hier gerade die Liebesgeschichten überflüssig und Emotionen springen nicht immer auf den Leser über. Das habe ich bei Gameshow nicht so empfunden. Franzi Kopka weiß, wie man die Dynamik zwischen den Charakteren perfekt ausbalanciert. Sie weiß, wie man Spannung schafft, ohne diese zu überreizen.

Je tiefer man allerdings in die Handlung eindringt, desto weniger möchte man das Buch aus der Hand legen. Cass findet in diesem Buch Freunde und muss sich von ihnen trennen. Sie gerät – unfreiwillig – mitten hinein in die gefährlichen Games. Dabei ist sie aber nicht unerwartet talentiert, was das Survivaltraining betrifft. Sie muss sich ihr Überleben erkämpfen und gerät hier auch an ihre emotionalen und körperlichen Grenzen. Der Leser bangt mit der Protagonistin und hofft auf glückliche Zufälle. Und die zeigt Franzi Kopka in ihrer Geschichte auf. Dabei merkt man aber, dass es der Autorin wichtig war, die Seiten so realistisch wie möglich zu gestalten.

Begeisterte Leser von Fantasyreihen wissen, dass ein guter Reihenauftakt immer einen Haken hat. Und den findet man am Ende. „Gameshow – Der Preis der Gier“ macht hier keine Ausnahme. Der Cliffhanger ist äußerst fies. Man möchte sofort weiterlesen und kann es nicht, weil dieser eben noch nicht erschienen ist.

 

Fazit:

„Gameshow – Der Preis der Gier“ ist eine Geschichte mit großem Sogfaktor. Ein Buch, das man einfach nicht mehr aus der Hand legen möchte. Eine unglaubliche erzählerische Verdichtung, realistisch und dennoch surreal, gepaart mit unglaublichen Überraschungseffekten.

Vermutlich ist dieses Buch bald schon kein Geheimtipp mehr. Das würde ich diesem Reihenauftakt zumindest wünschen. Das Buch hat jetzt schon eine Drehbuch-Dramaturgie. Ich würde ihm eine Verfilmung vergönnen.

Für mich schon jetzt ein Jahreshighlight!