Rezension

Eine Geschichte über Angst und Hoffnung und über die Entscheidung, sich selbst zu verraten oder seine Liebe.

Stella
von Takis Würger

Bewertet mit 5 Sternen

Horrorfahrt in die Realität. Eine Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht. Takis Würger erzählt schnörkellos und kompromisslos die Geschichte von Friedrich und Stella in einer "dunklen Zeit". Ein junger Mann auf der Suche nach der Wahrheit hat in diesem Roman eine ebenso abenteuerliche wie erschreckende Geschichte zu erzählen. Sie könnte ganz einfach sein. Aber sie spielt in Berlin im Jahr 1942. Friedrich ist äußerst behütet in einer wohlhabenden Familie am Genfer See aufgewachsen. Dann trifft er mit knapp 20 Jahren den Entschluß, für eine Weile nach Berlin zu ziehen. weil er wissen will, was tatsächlich in Deutschland vor sich geht. Das wäre gar nicht so bemerkenswert, wäre Deutschland nicht mitten im Krieg. Das stört Friedrich wenig, ist er doch durch seinen Schweizer Pass und das Geld seines Vaters vor der Willkür des Staates ebenso geschützt wie vor den schlimmen Folgen des Krieges im täglichen Leben. Wie unter einer Schutzglocke verbringt er einige Wochen in Berlin und ist schon kurz davor, wieder abzureisen, als sich alle seine Pläne ändern. Zufällig trifft er eine junge Frau, die ihn fasziniert und die sich auch für ihn interessiert. Kristin arbeitet als Modell in einer Zeichenschule und singt in einem eigentlich verbotenen Jazzlokal. Schon bald verbringt Kristin viel Zeit in Friedrichs Zimmer im Luxushotel. Sie ist geheimnisvoll, lebenshungrig und zeigt Friedrich, dem jungen Schweizer, das nächtliche Berlin mitten im Krieg. Kristin verrät ihrem Liebhaber so gut wie nichts über sich. Friedrich weiß nicht, wo sie wohnt oder wie sie Geld verdient. Aber er bemerkt, dass sie sehr gute Beziehungen zu den Mächtigen zu haben scheint. Durch sie lernt Friedrich einen Mann kennen, der eindeutig zu den Nazis gehört und sich ausschließlich um sein eigenes Wohlbefinden kümmert. Friedrich versteht die Wirklichkeit um ihn herum nicht einmal in Ansätzen. Bis zu dem Tag, an dem Kristin mit deutlichen Zeichen von Misshandlungen zu ihm ins Hotel kommt. Nun erfährt er, dass ihr wirklicher Name Stella ist und sie sich in einer Notsituation befindet. Sie lieben sich, aber Stella hat ein furchtbares Geheimnis. Sie hat sich mit der Gestapo auf ein schmutziges Geschäft eingelassen, um ihre Eltern vor dem KZ zu bewahren. Nun ist Friedrich in der Realität angekommen. Er versucht sogar, sich für Stellas Eltern einzusetzen, scheitert aberr an seiner Naivität. Er fühlt sich unwohl in Berlin, die Beziehung zu Stella hat ihre unschuldige Basis verloren. Aus der Liebesgeschichte ist eine Horrorfahrt in die Realität geworden. Der Autor versteht es sehr geschickt, Friedrichs naive Sicht auf die Welt mit der grauenhaften Realität zu kombinieren. Der wahre Horror der Geschichte geht viel tiefer, ein erheblicher Teil des Romans beruht auf Tatsachen. Es gab tatsächlich während des Zweiten Weltkriegs in Berlin eine Jüdin Stella, die mit der Gestapo zusammenarbeitete. Takis Würger erzählt mit Tempo und Wucht die Geschichte einer Liebe im Jahr 1942. Ich kenne wenige Autoren, die mit so viel Herzenswärme und feinem Humor schreiben. Wunderbar wehmütig und einfach schön erzählt. Einfühlsame Einblicke in ein nicht immer idyllisches Studentenleben. Ganz großes Kino!