Hinter der Maske
Bewertet mit 4 Sternen
Dass dieses Buch so polarisiert, hätte ich im Vorfeld nicht gedacht. Ja, Takis Würger hat sich für seinen zweiten Roman ein wirklich schwieriges Thema ausgesucht, dem man sich mit Fingerspitzengefühl nähern muss.
Dieses Buch zeigt eine (fiktiv abgeänderte) Momentaufnahme aus dem Leben einer jungen Berlinerin im Jahr 1942 und wird aus Sicht des jungen Schweizers Friedrich erzählt. Er trifft bei einem Besuch in Berlin auf die lebenslustige Deutsche Kristin, die sich von den Repressalien des Regimes nicht einschüchtern lässt und in Bars ihre Leidenschaft für Jazz, Zigaretten und Alkohol auslebt. Schnell verliebt er sich in sie und lässt sich von ihr in ihre (verbotene) Welt hineinziehen. Aus Liebe hält er auch weiter zu ihr, als sie ihm gesteht, dass sie eigentlich Jüdin ist, Stella heißt und von den Nazis vor eine unmögliche Wahl gestellt wird.
Stella Goldschlag, die (reale) Hauptfigur dieses Buches, steht stellvertretend für jüdische Einzelschicksale, die zu Zeiten des Naziregimes in Deutschland von der Gestapo dazu gezwungen wurden, versteckte Juden aufzustöbern und auszuliefern.
Mich zumindest hat das Buch sehr nachdenklich gestimmt. Wie weit würdest du selbst gehen, um deine Liebsten vor dem Tod zu schützen? Und können wir heute eine solche Entscheidung vor dem Hintergrund dieser 40er Jahre überhaupt realistisch bewerten? Können wir einschätzen, in welcher permanenten Angst die Menschen damals gelebt haben müssen?
Und was würde ich tun wenn meine große Liebe in Stella's Situation stecken würde? Könnte ich zu ihr halten oder würde ich sie verurteilen? Wie würde das unsere Liebe verändern? Ich zumindest kann und will diese Fragen nicht beantworten.
Allerdings zeigt dieses Buch nicht die ganze Person, die Stella ausmacht. Wenn man ein wenig recherchiert, eröffnet sich einem das ganze Ausmaß der Taten, die die Jüdin Stella Goldschlag begangen hat. Es gibt noch so viel mehr, was es über sie zu erzählen gibt.
Wenn überhaupt, dann gibt Takis Würger aber zumindest einen Denkanstoß, mehr über die Frau und auch die Zeit herauszufinden. Und es zeigt, dass das, was man über Stella zu wissen meint, vielleicht nicht mehr als ihre selbst gewählte Fassade ist. Ihre eigentlichen Beweggründe und Gedanken dazu hat sie mit ins Grab genommen, als sie sich 1994 selbst umgebracht hat.