Rezension

Es hat was, aber es hat sich leider gezogen und war mir zu deprimierend

Die Sammlerin der verlorenen Wörter -

Die Sammlerin der verlorenen Wörter
von Pip Williams

Bewertet mit 3 Sternen

Esmes Leben dreht sich um Wörter – das war schon immer so. Ihr Vater, ein Lexikograph arbeitet am Oxford English Dictionary, einer Mammutaufgabe. Esme, die ohne Mutter aufwächst, lernt im Skriptorium auf dem Schoß ihres Vaters das Lesen und die Liebe zu den Wörtern – vor allem zu jenen, die niemand haben will. Schon als Fünfjährige hat sie sich bei dem Versuch ein Wort aus den Flammen des Kamins zu retten schwerste Verbrennungen an einer Hand zugezogen. Bereits da war klar, dass es für sie niemals ein Leben ohne Worte geben würde. Dabei bleibt sie von Schicksalsschlägen und Schmerz nicht verschont. Sie muss ihren Weg finden in einer Welt, in der Frauen offen unterdrückt werden und die Frauenrechtlerinnen sich immer mehr Gehör verschaffen wollen.

Wir folgen Esmes Geschichte, ebenso wie der Geschichte des Wörterbuchs, von 1886 bis letztlich im Epilog ins Jahr 1989.

 

 

Ich liebe Geschichte und ich denke es gibt kaum jemanden, der noch nie vom Oxford English Dictionary gehört hat. Was man aber nicht weiß ist, dass es beinahe vierzig Jahre gedauert hat, bis es vollständig erschienen war. Der erste Band wurde 1886 veröffentlicht, der letzte 1928. Dazu kamen dann noch Ergänzungsbände und später eine Neuauflage, die 1989 erschien.

Heute sind Wörterbücher aus der Mode geraten. Wer etwas nachschlagen will, schaut im Internet nach. Ein paar von uns Besitzen aus nostalgischen Gründen vielleicht noch einen Duden oder ein altes Schulwörterbuch – die meisten von uns haben die aber schon längst aussortiert. Nie haben wir uns aber Gedanken darüber gemacht, wo sie eigentlich herkommen, wer sie erstellt und die Wörter gesammelt und definiert hat. Und schon gar nicht, wie das früher zur Hochzeit der Wörterbücher ablief.

In diesem Buch erfährt man all das. Man ist „live“ dabei, als Geschichte geschrieben wurde.

 

Esme fühlte sich schon immer von Wörtern angezogen, kein Wunder immerhin wächst sie inmitten von ihnen auf. Allerdings versteht sie anfangs noch nicht, warum manche Wörter aussortiert werden, oder was sie gemeinsam haben. Erst mit der Zeit, und mit dem Erwachsenwerden, erkennt sie, dass die meisten dieser aussortierten – man könnte glatt sagen verschmähten – Wörter mit Frauen zu tun haben. Es sind welche, die aus „unbedeutend“ gelten, oder nicht schriftlich irgendwo belegt wurden, Wörter der einfachen Leute, der Armen und eben der Frauen, die keine Zeit haben alles immer schriftlich zu fixieren. Die Schrift, die Wissenschaft war zu lange eine reine Männerdomäne – kein Wunder, dass diese Herren sich also nicht mit „Weiberkram“ beschäftigten.

Esme sammelt diese Wörter, sie macht sich sogar aktiv auf die Suche nach weiteren, in den Straßen der Stadt und überwindet dabei Standesgrenzen.

Doch all ihre Arbeit verkommt zu einem Hobby, denn niemand beim Wörterbuch hat ein Interesse an diesen Worten. 

 

Durch Esme erlebt man nicht nur, was es damals hieß eine (junge) Frau zu sein, sondern vor allem auch Geschichte. Esme lernt Suffragetten kennen, liest in der Zeitung von Hungerstreiks und Zwangsernährung, von Unruhen und Aufmärschen. Der Erste Weltkrieg überschattet ihr Leben, wie das aller zu der Zeit und immer dreht es sich um Wörter, die auch durch das Zeitgeschehen, neue Bedeutungen dazugewinnen.

 

 

Fazit: Im Endeffekt ist dieses Buch einerseits eine Liebeserklärung an die Sprache, an Wörter und an ihre Veränderbarkeit. Andererseits ist es ein historischer Roman über eine Frau, die ein ungewöhnliches Leben lebt und immer wieder ihren Träumen näherkommt, ohne sie je wirklich leben zu dürfen – einfach, weil sie eine Frau war und ihr nur aufgrund dessen vieles verwehrt blieb.

 

Ich fand die Idee echt mega. Ich liebe Worte und die Sprache an sich. Ich finde auch Wörterbücher interessant – vor allem natürlich solche Mammutprojekte wie das Oxford English Dictionary. Heute wirkt das alles unvorstellbar.

 

Mein Problem war vor allem, dass sich das Buch zum einen immer wieder sehr gezogen hat, es nahm immer wieder Abzweigungen und ging einigen Themen offen aus dem Weg, wo ich mehr erwartet hätte. Zum anderen war es mir schlicht zu deprimierend. Esme muss sehr viel durchmachen und mir war es irgendwann dann einfach zu viel. Ich rechnete schon immer direkt mit der nächsten Katastrophe.

 

Ich fand die Aufmachung des Buches toll, ebenso wie die Definitionen und Erklärungen, die immer auf englisch und deutsch abgedruckt waren. Das Buch ist einfach durchsetzt von diesem Wörterbuch-Charakter.

 

Insgesamt hat es sich für mich zu sehr gezogen und war mir zu deprimierend, deswegen kann ich dem Buch leider nicht mehr als 3 Sterne geben. Weniger aber auch nicht, weil es trotzdem sehr interessant war, dabei zu sein, wie ein berühmtes Wörterbuch entsteht.