Rezension

Fluch oder Segen?

Die Berufene - M. R. Carey

Die Berufene
von M. R. Carey

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt

Melanie stellt sich ihr Leben folgendermaßen vor, sie lebt in einer Art Internat unter anderen Schülern um in Sicherheit zu sein vor den Zombies, die die Straßen dort draußen bevölkern und von allen nur Hungernde genannt werden.
Für sie ist alles natürlich, was geschieht. Der Aufmerksame Leser jedoch weiß es besser.
Melanie ist Teil eines Forschungsprojektes. Sie verbringt ihre Tage in einer Zelle, wenn es zum Unterricht losgeht, erscheinen zwei Soldaten in ihrer Zelle. Einer richtet die Waffe auf sie und der andere bindet sie an einem Rollstuhl fest, Extremitäten und den Kopf, so dass sie völlig bewegungslos in die Klasse geschoben wird.
Zu essen gibt es nur einmal die Woche einen großen Teller Maden, trinken müssen die Kinder nichts und gewaschen werden sie mit Hilfe einer Dusche, die Chemikalien auf sie sprüht.
Und auch die Lehrer und Soldaten riechen nach eben diesen Chemikalien.
Anfangs denkt man, es würde eine Wasserknappheit bestehen, doch die strikte Fesselung spricht dagegen.
Melanie ist außerordentlich intelligent und sie ist fasziniert von einer Lehrerin, sie freut sich auf den Unterricht und würde alles für sie tun, sogar sterben.

Der Leser bekommt nach und nach Informationen geliefert, er erfährt, dass den Menschen auf dem Militärstützpunkt das Leben der Kinder egal ist, sie sind Versuchsobjekte und werden nach und nach seziert. Denn sie sind Hungernde, jedoch unterscheiden sie sich von den anderen.
Ihre Denkprozesse sind noch intakt, obwohl der Pilz der die anderen Infizierten zu hirnlosen Monstern gemacht hat auch in ihnen steckt, so sind sie teilweise immun gegen ihn.
Die Wissenschaftlerin Dr. Caldwell will die Kinder untersuchen um ein Gegenmittel zu finden.
Melanie glaubt ein normales Mädchen zu sein, dass leider zu ungünstigen Zeiten lebt, bis zu dem Tag an dem sich ihr Hunger meldet, als ihre Lehrerin sich um sie sorgt und zu ihrer Zelle stürmt ohne ihren Geruch mittels der Chemikalien zu überdecken.

Von nun an weiß sie, dass sie anders ist, doch die Erkenntnis über ihr wahres Wesen kommt erst, als der Stützpunkt überrannt wird und sie zwei Menschen tötet um ihre Lehrerin zu retten, zu der ihre Beziehung durch ein kleines Ereignis zu wachsen began.
Gemeinsam fliehen sie durch ein von Zombies besetztes Land mit der Gefahr im Nacken, begleiten tun sie die Wissenschaftlerin Cadwell, ihre Lehrerin Miss Justineau und zwei Soldaten.

Meine Meinung

Ich liebe Zombie Geschichten und schon früh wird einem beim lesen bewusst, dass dies hier so eine Geschichte ist. zwar ist uns nicht sofort bewusst, dass es sich bei den Kinder um eben solche Geschöpfe handelt, doch wir wissen immerhin, dass sie da draußen sind.
Nach und nach wird die Andersartigkeit der Kinder beleuchtet über verschiedene Perspektiven und wir tauchen ein in die Geschichte, begleiten Melanie durch ihre Gedanken und Gefühlswelt und wollen einfach nicht glauben, dass sie schlecht sein soll. Zu lieb ist ihr Wesen, zu unschuldig, zu vertrauensselig. Und selbst wenn wir sie in Aktion sehen, denken wir nichts anderes als: die haben es doch nicht anders verdient.
Ach wenn Melanie eine neue Generation einer Zombiespezies ist, so ist sie doch der Held der Geschichte, was eine andere und sehr interessante Sichtweise ist.

Die Geschichte ist gut durchdacht, wir bekommen Informationen über die Entstehung, den Erreger und den Werdegang, dem eine grausige Geschichte nach der anderen folgt, die menschliche Abgründe und drastische, gedankenlose Maßnahmen aufweist.
So schrecklich dies auch sein mag, wird der Schrecken durch Melanies sanftes Wesen kontrastiert, der in allem nur das Gute sieht, ein Licht in der Dunkelheit.
Lange glauben wir, sie könne die Heilung bedeuten, da sie sich so gut beherrschen kann und eben so menschlich ist. Doch das Ende verspricht eine Überraschung, die sich auf verschiedene Weisen deuten lässt. Sie ist entweder die Rettung oder der Untergang, wie man dies sieht, ist jedem selbst überlassen.

Spannung wird ganz groß geschrieben, immer wieder geraten unsere Charaktere in brenzlige Situationen, kommen aneinander und sich gleichzeitig näher, selbst Charaktere, die anfangs so unsympathisch wirkten, wie der Sergeant wachsen uns langsam ans Herz, weil wir beginnen die Beweggründe jedes einzelnen zu verstehen. Und auch wenn jemand unsympathisch bleibt, so wissen wir doch, warum er tut, was er tut. Mir ist diese Transparenz sehr wichtig und diese ist hier in jedem Fall gegeben.

Und noch eine Sache habe ich sehr positiv aufgenommen. Und zwar der Fakt, dass es sich hier bei dem Erreger nicht um einen Virus, sondern um einen Pilz handelt. Sogar einen, den es tatsächlich gibt und der als Parasit bei Ameisen gilt. Hier eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten und das Ende wird durch diesen Fakt gestützt und so dramatisch, wie man sich dies nicht hätte träumen lassen.

Natürlich werden viele Fragen aufgeworfen, die in so einem Buch nicht außen vor bleiben dürfen. Als erstes die Frage der Versuche am Menschen, auch wenn dieser von einem Parasiten befallen ist. Einige sehen die Kinder nur als Objekte, da sie als tot gesehen werden, sobald der Erreger sich eingenistet hat, ganz ungeachtet der Tatsache, dass die sprechen, denken, lernen und vor allem fühlen. Sind sie nun Menschen? Und wie sieht es aus mit den Experimenten, ist es zulässig andere zu töten um vielleicht nach vielen Opfern ein Heilmittel zu finden? Oder ist dies nichts weiter als ein Kriegsverbrechen.
Sehr interessant ist auch die Frage, wer in dem Falle der Verbrecher ist, der, der sie aufschneidet oder der, der ihnen Dinge beibringt und damit beibringt die Welt um sich wahrzunehmen?
Für mich sind die Antworten klar und doch denkt man darüber nach.

Übrigens wird die Sage um Pandora immer wieder erwähnt und am Ende erkennt man warum und muss unweigerlich über Bestimmung nachdenken, zu viel möchte ich jedoch nicht verraten ;-)

Die Schreibweise ist an einigen Stellen nicht ganz überzeugend gewesen, die macht die Geschichte zwar nicht schwächer, stoppte jedoch den Lesefluss. Ich denke der Autor hat sich ein wenig schwergetan zwischen vier verschiedenen Perspektiven hin und her zu schweifen, dadurch baut er ein paar Stilmittel passend zu den Charakteren ein, die an einigen Stellen eher nervig sind und übertrieben wirken.
Zum Glück passiert dies nicht allzu oft. Und der Autor schafft es zum Ende her seine Perspektivenwechsel überzeugender zu gestalten. Die Idee an sich ist gut, weil wir schöne Kontraste dadurch erhalten. Erst die kindliche Sprache von Melanie und schießlich die eiskalte Sprache der Wissenschaftlerin von Fakten angefüllt.

Fazit

Einer überzeugende Geschichte mit kleinen Schwächen in der Umsetzung.
Die Idee ist für mich hervorragend und überraschend, unterhält, baut Spannung auf und lässt Raum für eigene Gedanken. Die Umsetzung schwächelt leider an einigen Stellen, die tut dem Lesespass jedoch keinen all zu großen Abbruch.