Rezension

Flügel

Zugvögel - Charlotte McConaghy

Zugvögel
von Charlotte McConaghy

Bewertet mit 4 Sternen

"Es war einmal, vor langer Zeit, eine Frau, die ihr Leben lang Federn aushustete, und eines Tages, als sie längst grau und knorrig war, erwuchs aus der Frauengestalt die eines schwarzen Vogels. Von da an hielt die Dämmerung sie in ihrem Bann, und der große gähnende Schlund der Nacht verschluckte sie ganz und gar."
Eine ebenso rätselhaftes Wesen wie diese Vogelfrau scheint auch Franny zu sein. Vaterlos aufgewachsen an der irischen Küste, hat sie statt Flügeln sprichwörtliche Wanderfüße und ist unfähig, lange an einem Ort zu bleiben. Dies scheint schon bei ihren Vorfahren so gewesen zu sein. Auch ihre Mutter ist eines Tages nicht mehr da. Überhaupt ist Frannys Geschichte eine voller Geheimnisse, so düster, dass sie selbst sie nicht zu sehen vermag. Als sie eines Tages dem Professsor Niall Lynch begegnet, scheint sie so etwas wie Heimat zu finden. Aber wird ihre Liebe stark genug sein, sie zu halten? Überschattet wird alles zudem vom Aussterben der Wildtiere. Selbst Vögel sind ene echte Rarität geworden. Warum ist Franny so besessen davon, den letzten Küstenseeschwalben auf ihrer Wanderung um die halbe Welt zu folgen?
Erzählt wird die Geschichte von Franny selbst in Rückblenden. Immer tiefer wird man als Leser in die Abgründe von Frannys Vergangenheit gesogen, während sie auf einem Fischerboot voller exentrischer Fischer den Schwalben folgt. Manches was man erfährt ist so düster, dass es einem zusammen mit dem beklemmenden Artensterben herunterzieht wie Blei. Die Autorin erzählt packend und sprachlich dicht. Dennoch ist mir Franny bis zum Schluss in ihrer Andersartigkeit fremd geblieben. Immerhin kann man ihre Beweggründe umso besser nachvollziehen, je mehr man von ihrer traurigen Vergangenheit erfährt. Glücklicherweise stimmt das Ende etwas hoffnungsvoller. Eine teils beklemmende Geschichte auf sprachlich hohem Niveau, die durchgehend zu faszinieren weiß.