Rezension

Poetischer Debütroman, Dystopie und LIebesgeschichte

Zugvögel - Charlotte McConaghy

Zugvögel
von Charlotte McConaghy

Bewertet mit 5 Sternen

Wir befinden uns in einer Welt in der Zukunft, in der das Artensterben weit vorangeschritten ist. Die Ornithologin Franny hat ein paar Küstenseeschwalben mit Sendern ausgestattet, um ihnen auf ihrem vermutlich letzten Vogelzug zu begleiten. Dazu heuert sie auf einem der letzten existierenden Fischerboote an und findet sich inmitten einer exzentrischen Crew wieder, der Gewalt des Meeres ausgeliefert, nur mit den Vögeln als Kompass, und gerät schließlich selbst in Lebensgefahr.

Der Debütroman "Zugvögel" von Charlotte McConaghy ist eine DYstopie, die mich auf besondere Weise berührt hat. Zugegeben: Anfangs wurde ich nicht mit dem Buch warm, konnte keinerlei Zugang zu der merkwürdigen Franny finden und hielt mich nur anhand des wundervollen Schreibstils bei der Stange. Doch mit Fortschreiten der Geschichte wurde ich immer tiefer hineingesogen in die Welt und vor allem die Gefühle der Ornithologin.

Erst nach und nach wird die Erzählsituation deutlich und die Handlung springt zwischen verschiedenen Zeiten hin und her, so dass der Leser hier gefordert ist.

Obgleich von Beginn an klar ist, dass etwas Schlimmes mit Franny passieren wird ("Wenn ich in der Antarktis angekommen bin und meine Wanderung beendet ist, dann werde ich sterben"), ohne dass dem Leser die Hintergründe dazu klar sind, besteht nur sehr wenig Spannung; die Erzählung fließt leise vor sich hin. Dabei gibt es allerdings schon immer wieder Aufregungen und einzelne Zeitabschnitte werden geschickt miteinander verwoben - bis hin zu einer völlig überraschenden Wendung am Ende.

Wirklich besonders ist in diesem Debütroman der Schreibstil. Trotz meiner anfänglichen Distanz gelang es McConaghy, mich tief zu berühren und viele Sätze habe ich allein wegen ihrer Schönheit und Ausdrucksstärke mehrfach gelesen!  Die Poesie der Sprache wird dabei jedoch niemals kitschig oder gleitet ins Melodramatische ab, was für mich ganz große Erzählkunst ist.

Die Figuren sind ausnahmslos ungewöhnliche, wenn nicht gar exzentrische Persönlichkeiten, die allesamt Sonderlinge, die nicht in die Welt passen. Dabei sind sie genau gezeichnet und scheinen mit einer besonderen Liebe der Autorin versehen zu sein und werden so auch immer liebenswerter.
Insbesondere die Hauptfigur ist extrem schwierig und kompliziert in ihrem Dasein, das von zahlreichen Verlusten und Ängsten getragen ist, dabei jedoch immer sehr authentisch und mehrdimensional. Lange Zeit hatte ich Probleme mit ihr, da sie mir absolut unsympathisch war und ihre Mission mir unverständlich.

Die Dystopie entwickelt sich dann immer mehr zu einer besonderen Liebesgeschichte, die sich ebenfalls vom Gewöhnlichen abhebt und einen neuen Weg geht. Und hier beginnt auch langsam das Verständnis für Franny und ihre Eigenarten, die auf anrührende Weise ans Herz gehen.

Doch auch das Artensterben, die Zerstörung der Natur durch die Menschen und die Umweltprobleme und der Klimawandel werden mehr wie deutlich, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger dargestellt zu werden, was sie ungleich einprägsamer macht.

Ich bin froh, dass ich das Buch nicht zur Seite gelegt habe und vergebe für die berührende, poetische Geschichte der Zugvögel und der Ornithologin Franny vier Sterne.  Ein absolut lesenswertes Buch, das den Leser allerdings herausfordert.