Rezension

Gegensätze treffen auf Poesie

Offene See
von Benjamin Myers

Bewertet mit 4 Sternen

Ein poetisches Buch, eingebunden in die Natur, geheimnisvoll, leicht und doch mit einer gewissen Schwere

Ich weiß nicht, ob ich zu „Offene See“ gegriffen hätte, wenn ich es nicht mit einer guten Freundin zusammen gelesen hätte. Im Nachhinein bin ich dankbar für unser gemeinsames Projekt, den Austausch darüber und letztendlich auch für Myers Werk selbst.

Es handelt sich meiner Meinung nach nicht um einen Roman, den man mal ebenso nebenbei liest, um abzuschalten. Dafür ist die Sprache zu poetisch, die Figuren zu detailliert ausgearbeitet.

Zum einen lernen wir Robert kennen, der von seinem Elternhaus in England aus aufbricht und gen Süden wandert. Schon nach kurzer Zeit lernt er eine ältere Dame kennen, die zurückgezogen in einem Cottage lebt, mit Butler, ihrem Hund, stets an ihrer Seite. Beide Charaktere sind sehr stark und passen eigentlich so gar nicht zusammen, was in den Dialogen spürbar ist. Während Robert eher naiv und verträumt und zu gleich voller Lebenslust ist, ist die Alte, Dulci lautet ihr Name, lebenserfahren, gebildet und teils voller Schmerz.

Hier ist es weniger die Spannung, die einen zum Weiterlesen verleitet – wenn auch Dulci sehr geheimnisvoll tut und es auch ist, sondern die bildhafte Sprache, die einen zum Träumen und Nachdenken anregt. Es geht darum, anders zu sein und zu sich selbst zu finden. Es geht um Krieg und Frieden in sich selbst wie auch global. Und um ganz viel Natur. Und ganz Etwas mehr inhaltliche Tiefe wäre möglich gewesen und hätte ich mir an der ein oder anderen Stelle gewünscht.

Wer in der Stimmung für dieses kleine, aber feine Buch ist, dem kann ich es aber getrost ans Herz legen.