Genial
Bewertet mit 4.5 Sternen
Zum Paradies von Hanya Yanagihara. Übersetzt ins Deutsche von Stephan Kleiner.
Ich bin so gespannt: Am liebsten würde ich die Fortsetzung von „Ein wenig Leben“ lesen, aber wie soll das gehen? (Vorsichtig Spoiler:) Jude ist tot.
Und wäre Hanya Yanagihara nicht auch eine schlechte Autorin, wenn sie einfach eine ähnliche Story schreibt, einen Abklatsch?
Nein, hier kommt etwas total anderes:
Drei Geschichten, in drei verschiedenen Zeitebenen.
Geschichten, die in der Vergangenheit und in der Zukunft spielen.
Ich beginne die erste Geschichte, die in 1893 spielt, zu lesen. Amerika gehört zu den Free States, jeder darf seine Liebe ausleben: So sind Männer mit Männern verheiratet oder Frauen mit Frauen. Kinder werden einfach adoptiert.
David Bingham ist ein Sohn einer wohlhabenden Familie und verliebt sich in einen zweifelhaften jungen Mann, der es nur auf sein Geld abgesehen hat, so scheint es.
Doch was ist das? Gerade als es so richtig spannend wird, hört die Geschichte auf! Oh nein!
Gut, ich beginne also mit der zweiten Geschichte, die hundert Jahre später spielt: Aber was ist das wieder: Alle Protagonisten haben ja dieselben Namen wie in der ersten Geschichte?.
Mein Gehirn versucht ständig beide Geschichten miteinander zu verknüpfen, aber es gelingt mir nicht. .. Ist das der Sohn? Nein, zu jung, es kann ja nur der Großvater sein .. Nein, passt nicht.
Und auch dieses zweite Buch, wo der Protagonist ein Hawaiianer ist, mitten in der AIDS- Epidemie spielt, hat ein abruptes Ende, aber ich bin gespannt, bestimmt wird die Autorin noch alles auflösen, es gibt ja noch mehr als 450 Seiten.
Die letzte Ebene hat es in sich: 2093, wieder 100 Jahre später, aber die Welt ist von Seuchen und Epidemien zerstört. Reisen, Internet und Nachrichten jeglicher Art sind verboten, der Staat kontrolliert was du sagst, isst, wann du duscht oder deine Wäsche wäscht. Die meisten Menschen sind steril, Liebe zwischen Gleichgeschlechtlichen sind verboten.
Und wieder tragen alle Protagonisten die Namen aus den ersten zwei Geschichten.
Die Enkeltochter eines sehr angesehenen Wissenschaftlers bzw. Tochter eines hingerichteten Staatsfeindes versucht ihr Glück in einer arrangierten Ehe zu finden.
Doch ob am Ende alle Geschichten verknüpft und aufgelöst werden, müsst ihr selber herausfinden.
Sie hat es wieder geschafft: Hanya Yanagihara hat, wie auch in ihrem ersten Buch „Das Volk der Bäume“, die Welt auf den Kopf gestellt. Es ist ein anderes Leseerlebnis, eines, das viele Fragen aufwirft, die allerdings unbeantwortet bleiben.
Meiner Meinung nach kann das Buch nicht an „Ein wenig Leben“ anknüpfen, aber es ist ein wirklich lesenswertes und spannendes Buch auf 895 Seiten, das zum Nachdenken anregt.
Eine Leseempfehlung von mir, aber nur wenn man sich auf die manipulierende Schreibintention der Autorin einlässt.