Rezension

Welches Paradies?

Zum Paradies
von Hanya Yanagihara

Bewertet mit 3 Sternen

Zum Paradies – Hanya Yanagihara

Mit knapp 900 Seiten ist das ein echter Wälzer – noch dazu einer, der es mir wirklich nicht leicht gemacht hat. Gefühlt habe ich dafür ewig gebraucht.

Im Prinzip sind das hier drei Geschichten in einem Buch. Es gibt durchaus Verbindungspunkte, die teilweise aber eher zur wachsenden Verwirrung beitragen. So geht es in allen drei Erzählungen um fiktive Gesellschaftsformen. Es ist immer ein Haus in New York – 1893, 1993 und 2093. Auch die Namen der jeweiligen Figuren sind identisch – und doch haben die Geschichten nichts miteinander zu tun – oder? Ein wichtiges Thema ist jeweils Homosexualität. Und besondere Beziehungen zu Eltern und Großvätern. Mindestens eine Hauptfigur ist immer außergewöhnlich labil.

1893 – New York gehört zu den Free States, in denen jeder sein Liebesleben so gestalten darf, wie er möchte. Zumindest theoretisch. Eine Top-Idee. Doch die Hauptfigur ist zutiefst abhängig von seinem Großvater und flüchtet sich in eine nicht standesgemäße Liebschaft. Inhaltlich für etwa 300 Seiten dann aber etwas wenig und blutleer. Bis auf die faszinierende Idee der Free States auch eine eigentlich ziemlich abgedroschene Handlung, auch wenn man das nicht auf den ersten Blick merkt, denn die Autorin schreibt wirklich einnehmend und schafft es, darüber hinwegzutäuschen.

1993 – wieder New York – diesmal im Bann einer Aids-Epidemie. Und ein junger Hawaiianer, der mit der Geschichte seiner Familie hadert und von einem hawaiianischen Königreich träumt, oder so ähnlich? Diesen Teil fand ich leider sterbenslangweilig. Ach ja, und was haben die Geschichten miteinander zu tun???

2093 – ein drittes Mal New York – zerrissen von tödlichen Pandemien. Dies ist mit Abstand der beste Teil dieses Romans. Es wird derjenige belohnt, der 600 Seiten Langeweile über sich ergehen hat lassen. Eine Leistung, ich bin stolz auf mich! Aber ja, dieser dritte Teil, eine klasse Dystopie, hat es in sich und konnte mich wirklich überzeugen. Das ist einfach toll erzählt, nämlich aus zwei besonderen Perspektiven. Einmal erzählt ein berühmter Wissenschaftler, der Briefe an einen alten Freund schreibt. Und außerdem berichtet seine Enkelin, mit der irgendetwas nicht zu stimmen scheint…. Mehr will ich dazu auch gar nicht schreiben. Nur – ganz große Klasse!!! Toller Plot, toller Erzählstil, grandios! Hätte sie das doch lieber mal einzeln veröffentlicht!

Die Autorin hat einen angenehmen Schreibstil, schweift aber gerne ab und verliert sich in Nebensächlichkeiten. Auch spannende Passagen bekommen so hin und wieder etwas Langatmiges. Für mich wird erst im letzten Teil das große Erzähltalent der Autorin ersichtlich. Und ich kann es einfach nicht verstehen, was sie mit diesen ganzen identischen Namen beabsichtigt. Es hat sich mir nicht erschlossen. Ich fand es einfach ermüdend, der Geschichte des dritten Davids zu folgen.

Nach wie vor verstehe ich die Zusammenhänge zwischen den Geschichten nicht. Ich kann nur Gemeinsamkeiten, Motive, Wiederholungen feststellen. Ich für meinen Teil hätte sehr gut auf die beiden ersten Teile (600 Seiten!!!) verzichten können. Die Dystopie hätte alleinstehend von mir 5 Sterne bekommen. Die beiden vorausgehenden allerdings nur je 2 bis 3 Sterne. Wie soll man sowas nun abschließend bewerten? Am Ende nehme ich einen (wohlwollenden) Mittelwert und gebe 3 Sterne. Wirklich schade, denn die Dystopie ist große Klasse. Allerdings sehe ich es schon als Zumutung, sich durch so viele relativ nichtssagende Seiten quälen zu müssen um überhaupt bis dorthin zu gelangen.