Rezension

Interessant, bleibt aber hinter seinen Möglichkeiten zurück

Eve of Man - Die letzte Frau - Tom Fletcher, Giovanna Fletcher

Eve of Man - Die letzte Frau
von Tom Fletcher Giovanna Fletcher

Das Ehepaar Giovanna und Tom Fletcher entwerfen in ihrem gemeinsamen Werk „Eve of Man – Die letzte Frau“ die bedrückende Vision einer Gesellschaft, die keine Frauen mehr gebären kann. Doch in diesem Szenario gibt es die eine gewaltige Ausnahme – Eve, die als einziges Mädchen wider Erwarten gesund zur Welt kommt und an der nun nicht weniger als die Hoffnungen der gesamten Menschheit auf weitere Existenz haften. Der Roman setzt sich stark mit einer moralischen Frage auseinander: Wie viel Verantwortung darf man ihr auflasten? Welche weiteren Leseeindrücke ich aus der Lektüre gewinnen konnte, das erfährst du in der folgenden Rezension – viel Spaß!

Das im Roman etablierte System übte auf mich große Faszination aus. Dem Autorenpaar gelingt ein balancierter Akt zwischen den Erwartungen und Hoffnungen sowohl der Wissenschaft als auch der restlichen Menschheit und der Selbstbestimmtheit der jungen Protagonistin. Dabei befindet sich man als Leser in einer neutralen Position, da man die Ideologie aus verschiedenen Perspektiven betrachten darf und somit als abwägender Beobachter auftritt: So setzte auch ich mich während der Lektüre mit der Frage auseinander, ob und wenn ja, wie sehr man die Freiheit eines Individuums für das Gemeinwohl einschränken darf.

Durch einen authentischen und einfach zu lesenden Schreibstil führen die Autoren ihre Leser schnell in die Umstände ein. Leider verlieren sie sich auf einer gut vierhundertfünfzig Seiten langen Strecke doch mehrmals in repetitiven Abläufen, die stark an Aufmerksamkeit und Geduld des Publikums einbüßen. Zu lange passiert nichts, zu angestrengt konzentriert man sich auf einzelne Facetten – fast grenzten die sich ständig untereinander ähnelnden Gedankenspiele der Figuren für mich an schlaffe Demotivation und Langeweile. Gut hundert Seiten herauszustreichen, hätten dem Buch keine essenziellen Inhalte entzogen und stattdessen eine straffere, stärker ausgeglichene Handlung zur Folge gehabt.

Eve funktioniert als nahbarer Protagonist, die eine überzeugende Entwicklung durchschreitet und gleichzeitig als Dreh- und Angelpunkt für die gesamte Handlung fungiert. Ihre Gefühle für Bram, die erst das Hinterfragen ihrer eigenen Situation lostreten, scheinen zwar etwas sehr weitgeholt, erfahren hier aber an so schwerer Gewichtung, dass es zynisch wäre, sie anzuzweifeln – eben weil sie die Basis sind, auf die der Roman baut. Bram ist ein Stück weit das genaue Gegenteil zu ihr; er ist impulsiv und wild entschlossen. Obwohl sie im Laufe des Buchs nur wenig persönlich miteinander interagieren, ist die Sehnsucht nacheinander der führende Leitgedanke.

Der sozialkritische Aspekt ist meiner Meinung nach sehr gelungen, bleibt aber hinter seinen Möglichkeiten zurück. Der Antagonist ist zu glatt gebügelt; die Fronten sind zu sehr in das alte Gut-Böse-Korsett gezwängt. Der Leser bekommt nur wenige Informationen über den Zustand der gesamten Bevölkerung, sondern blickt nur in einen Einschnitt der gegen die Ungerechtigkeiten protestierenden Bevölkerungsgruppe und der am längeren Hebel sitzenden Machtausübenden. Den Fokus zu weiten, hätte dem Buch zumindest aus meiner Sicht gut getan. Aber dennoch ist positiv anzumerken, dass das Autorenpaar es schafft, durch einige interessante Ansätze sowohl auf der moralischen als auch der machtpolitischen Ebene zum Nachdenken anzuregen.

Wenn ich jetzt abschließend zu einem Fazit meinerseits gelange, dann stehe ich dem ersten Band von „Eve of Man“ mit gemischten Gefühlen gegenüber. Er schöpft sein großes, durch ein hervorragendes und hochspannendes Grundszenario gegebenes Potenzial nicht vollständig aus. Der Roman erzählt eine zum Ende hin rasante Handlung, die in einem großen, wenngleich vorhersehbaren Showdown mündet, die viele gute, lobenswerte Spuren verfolgt. Für beinahe jedes positive Argument fallen mir aber einige negative Aspekte ein, die das Buch besser gemacht hätten als das Mittelmaß, in dem es leider für mich abschließend angesiedelt ist. Mal sehen, wo uns die geplanten Folgebände hinführen werden.

 

„Eve of Man – Die letzte Frau“ hat ein hochspannendes Szenario und verfolgt viele interessante Ansätze, bleibt aber doch vielmals hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Daher möchte ich drei von fünf möglichen Sternen vergeben.