Rezension

Keine kalten Schauer

Die Frau vom Strand -

Die Frau vom Strand
von Petra Johann

Der Klappentext verspricht eine spannende Geschichte, voller Geheimnisse und überraschende Wendungen. Genau das, was einen guten Thriller ausmachen sollte. Dazu eine interessante Figurenauswahl, die zumindest auf mich frisch wirkt. Ein lesbisches Paar mit einem Kind und eine geheimnisvolle Frau, die etwas von den beiden will – das klingt nach Spannung.
Der Thriller beginnt aus der Ich-Perspektive und erzählt aus der Sicht von Rebecca die Geschichte, die bereits im Klappentext geschildert wird. Dann ändert sich die Perspektive und der Großteil des Romans wird aus den Perspektiven von mehreren Personen entwickelt. Hier kommt mein erster Kritikpunkt: Es gibt insgesamt zu viele Figuren, aus deren Perspektive die Handlung vorangetrieben wird. Da gibt es die Kommissarin Edda, die meiner Ansicht nach die wichtigste von den Nebenfiguren ist, aber es kommen noch mindestens 5 weitere Personen dazu, die zumindest in einzelnen Szenen in den Vordergrund rücken. Das hat mich an manchen Stellen irritiert, weil ich mich fragte, warum diese Figur auf einmal mehr Gewicht in der Szene hat als Edda. Oder ob ich mich konzentrieren und mir die Figur merken soll, weil sie eine besondere Rolle spielt – was bei mindestens 2 oder 3 Nebenfiguren nicht der Fall war. Sicherlich ging es der Autorin dabei darum, möglichst viele Indizien im Text zu streuen, die bei den Ermittlungen helfen oder irreführen sollten, aber für mich war es an diesen Stellen ein (handwerklicher) Bruch und unnötige Ablenkung.
Die Hauptstory an sich ist recht spannend, wobei die Spannung sich erst auf den letzten Seiten richtig entfaltet. Im mittleren Teil sind solche überraschende Wendungen zwar nicht unbedingt vorhersehbar, aber sie haben bei mir keine „kalte Schaue“ hinterlassen, wie es der Klappentext verspricht. Manche solche Momente werden detailliert vorbereitet, durch die Dialoge wird darauf hingearbeitet, sodass der Ach-Effekt ausbleibt. Cliffhanger klingen viel zu oft gleich: „In diesem Moment klingelte es“ oder „Sie griff nach ihrem Handy“. Auf einige Nebengeschichten wie z.B. die Affäre der Schwägerin eines Ermittlers mit ihrem Angestellten hätte ich gerne verzichtet – sie haben mit dem Hauptkonflikt nichts zu tun und blasen die Geschichte nur auf.
Der Schreibstil / Die Sprache insgesamt ist sehr flüssig, wodurch die Geschichte sich sehr schnell und leicht lesen lässt. Nur ab und zu rutschte das eine oder andere Wort, das nach meinem Geschmack eher zu einem Frauenroman / Liebesroman als zu einem Thriller passen würde. Dass sich jede zweite weibliche Figur schnäuzen musste, sobald es zu Vernehmungen kam, klang irgendwann belustigend. Wie viele Taschentücher im Laufe der Geschichte gereicht wurden, habe ich bald aufgehört zu zählen. Und immer wieder tauchten wertende Ausdrücke auf, die meines Erachtens nicht in den Roman hineingehören, so in etwa „Er machte eine interessante Entdeckung“. Dadurch wächst zwischen mir und den Figuren die Distanz. Denn das, was sie als interessant werten, muss für den Leser nicht unbedingt genauso spannend sein. Ich frage mich, ob das vom Lektorat anders gesehen wird. Der Leser sollte selbst eine Meinung bilden, sie nicht aufgetischt bekommen, besonders wenn es um einen Thriller geht.
Insgesamt fand ich das Buch unterhaltsam, fragte mich allerdings immer wieder (vor allem in der Mitte), ob das wirklich ein Thriller oder doch ein Krimi ist. Es ist ein gut geschriebenes Buch, aber keins, das bei mir Schauer hinterlässt und mich nach dem Lesen weiter beschäftigt.