Rezension

Klassischer amerikanischer Familienroman (mit irreführendem deutschem Titel)

Das Nest - Cynthia D'Aprix Sweeney

Das Nest
von Cynthia D'Aprix Sweeney

Bewertet mit 5 Sternen

Leonard Plumb Sr. hat etwas Geld in einem Treuhandfonds für seine vier Kinder angelegt. Auf Englisch nennt man so ein finanzielles Polster für schlechte Zeiten "nest egg" und schon bald war dieser Fonds für seine Familie nur noch "das Nest". Eigentlich war es ein eher bescheidener Betrag, aber er konnte den Immobilienboom nach seinem Tod ja nicht voraussehen und hatte auch einen sehr umsichtigen Treuhandverwalter ausgesucht, so dass seine Kinder nun viel mehr Geld erwarten können, als er geplant hatte. Er wollte nie, dass sich seine Kinder auf den zukünftigen Geldsegen verlassen, sondern sich alles selbst erarbeiten, daher soll das Geld auch erst nach dem 40. Geburtstag von Melody, der Jüngsten, an alle verteilt werden.

Melodys 40. Geburtstag naht. Wie ihre drei Geschwister Leo, Bea und Jack braucht sie das Geld dringend. Doch dann benutzt ihre Mutter das Geld aus dem "Nest", um Leo zu helfen, der sich in ernst zu nehmende Schwierigkeiten gebracht hat. Vereint in der Sorge um ihr Geld fangen die Geschwister wieder an zu kommunizieren und sich zu treffen…

Ich habe das Buch mit einiger Skepsis begonnen, da ich mir nicht vorstellen konnte, wie Gezanke um Geld unter Geschwistern lesenswert sein könnte. Die ersten Seiten haben meine Bedenken dann erst mal verstärkt, weil die vier Geschwister alle nicht besonders sympathisch sind und den typischen New Yorker Lebenswandel zu haben schienen. Doch ich hatte nicht mit dem Schreibtalent der Autorin gerechnet. Sie hat mich in die Geschichte und das Familienleben hineingezogen und ich kam nicht wieder heraus!

Beim ersten Treffen der Geschwister verspricht Leo, sich etwas einfallen zu lassen, damit das "Nest" bis zu Melodys Geburtstag vier Monate später wieder aufgefüllt ist. Leo ist der Älteste und die anderen drei wollen ihm glauben und vertrauen – obwohl sie ihn dafür eigentlich zu gut kennen – und sie hoffen und schieben ihre Geldsorgen vor sich her. Dabei lernt der Leser alle vier Geschwister besser kennen, ihre aktuelle Lebenssituation und wie sich ihr Leben entwickelt hat, und fragt sich, was Leo wohl tun wird und welche Auswege es für die anderen drei gibt.

Am Ende hatte ich fast alle Charaktere irgendwie liebgewonnen, egal wie verkorkst sie waren, und war richtig traurig, dass das Buch zu Ende war. "Das Nest" ist eine interessante Familiengeschichte über die Beziehung zwischen Geschwistern und die Autorin erzählt so, dass man als Leser den Eindruck hat, mittendrin zu sein. Die Atmosphäre und die Denkweisen sind sehr amerikanisch, darauf muss man sich einstellen.

Da ich intelligente, gut geschriebene Familiengeschichten sehr mag, hat mir das Buch sehr gut gefallen und ich hoffe, dass die Autorin weitere Bücher schreiben wird.