Rezension

Mehrere Kriminalgeschichten in einem Buch – Horowitz at its best!

Der Tote aus Zimmer 12 -

Der Tote aus Zimmer 12
von Anthony Horowitz

Bewertet mit 5 Sternen

Da bekommt man etwas für sein Geld! Gleich mehrere Kriminalgeschichten vereint dieser Band. Aber von Anfang an: Susan Ryeland hat sich nach dem verstörenden Todesfall ihres Erfolgsautors Alan Conway aus dem Verlagsgeschäft zurückgezogen und führt nun ein Hotel auf Kreta mit ihrem griechischen Lebensgefährten Andreas. So richtig prickelnd läuft es nicht. Da kommt ihr der Auftrag des Hotelehepaares Treherne gerade recht: Sie soll herausfinden, was das Verschwinden der Treherne-Tochter Cecily mit einem Band von Conways Atticus-Pünd-Reihe zu tun hat. Es winken Abwechslung und jede Menge Geld. Leider gestalten sich die Ermittlungen weitaus schwieriger als gedacht und Susan gerät in einen Sumpf aus Intrigen und Lügen und in Lebensgefahr.

Besser geht es nicht: ein unglaublich intelligenter, raffiniert verschachtelter und hervorragend geschriebener Kriminalroman. Der Autor versteht es blendend, eine Geschichte in die andere einzubetten, ohne langatmig oder zwanghaft konstruiert zu wirken. Dabei bedingt eine Geschichte die andere, sie bauen aufeinander auf und brauchen einander wie der Fisch das Wasser. Zunächst einmal kommt das Hardcover als schön gebundenes Buch mit sehr gelungen gestaltetem Einband daher. Die fortlaufenden Kapitel sind mit treffenden Überschriften versehen. Dieser Stil wird bei der im Buch eingebetteten Atticus unterwegs-Geschichte fortgeführt und auch danach beibehalten. Ein Fall ergibt sich aus dem anderen: Der Atticus-Roman aus dem Mord an Frank Parris vor acht Jahren und Cecilys Verschwinden, das Susan untersuchen soll, wiederum aus dem Lesen des Atticus-Romans. De facto hat Susan also zwei Fragen zu klären: Ist der Verurteilte schuldig oder unschuldig und was geschah mit Cecily?

Susans Ermittlungen beginnen recht harmlos, sie bekommt eine Suite im renommierten Hotel der Trehernes, freie Kost und Logis und die Möglichkeit mit allen Beteiligten zu reden. Nebenbei spricht sie mit jeder Menge Bekannten und merkt, wie sie das Verlagswesen und London vermisst hat und hinterfragt ihr Leben und ihre Beziehung zu Andreas. Als Charakter ist sie dennoch nicht übertrieben emotional, eher rational und strukturiert, ihr Verstand arbeitet analytisch, sie verliert ihr Ziel nie aus dem Blick und entspricht hierin ihrem Pendant Atticus Pünd. Beide gehen empirisch vor und finden noch die kleinste Abweichung und Besonderheit und den geringsten Widerspruch in einer Aussage. Bis sie – und damit der Leser – Atticus unterwegs liest, vergeht geraume Zeit, in der sie Aussagen und Eindrücke sammelt. Dies ist notwendig, um die Zusammenhänge zu verstehen und die Verbindungen zwischen den Fällen herzustellen. Susan schaut jedoch über den Tellerrand und muss in diesem Fall noch weiter als die acht Jahre bis zum Mord zurückgehen. Hierbei kommt ihr zugute, dass sie den Autor Conway fast so gut kannte wie sich selbst und noch immer sehr gute Kontakte zu seinem näheren Umfeld hat. Conway, nicht gerade ein sympathischer Zeitgenosse, aber ein kluger Beobachter, hat jede Menge Hinweise hinterlassen. Diese zu erkennen und die Schlüsse daraus zu ziehen kostet Susans ganze Konzentration. Beides sind starke Persönlichkeiten, Susan ist aber in der Geschichte die hauptsächlich agierende Protagonistin, auf die sich die Handlung fokussiert und aus deren Sicht erzählt wird. Dementsprechend lebt und ermittelt man sehr intensiv mit ihr mit, am liebsten würde man sich einklinken und mit ihr die Fakten durchgehen. Der Geist Conways scheint dennoch immer über allem zu schweben. Susan übernimmt sogar – wenn auch nicht ganz freiwillig - seine Vorliebe, am Schluss die Hauptakteure zu versammeln und in einer ausführlichen Rede die Lösung zu präsentieren. Hierbei wird deutlich, dass jedes noch so kleines Detail, das Susan zusammengetragen hat, wichtig war, und jedes Gespräch, das sie geführt hat, etwas zur Lösung beigetragen hat.

Es ist meines Erachtens für den Leser durchaus von Vorteil, den Vorgänger-Band Die Morde in Pye Hall zu kennen, denn es gibt einige Verweise, man kennt einfach die Charaktereigenschaften und das Verhältnis von Susans und Conway. Zwangsläufig schienen mir die weiteren Protagonisten schwächer dargestellt zu sein, es gibt jedoch bei allen sehr klar zugewiesene Eigenschaften mit hohem Wiederkennungswert und viele Protagonisten, die sehr vielschichtig und interessant gezeichnet sind, zum Beispiel Cecilys Schwester Lisa oder der zuständige Ermittler Locke.

Fazit: Eine großartige Kriminalgeschichte verwoben mit einer klassischen Detektivgeschichte mit starker Heldin, die Spürnasenqualitäten aufweist und sich nicht ins Bockshorn jagen lässt. Man fiebert von der ersten Zeile an mit und es wird dringend empfohlen, das Ganze sehr aufmerksam zu lesen und sich nichts entgehen zu lassen. So erschließt sich einem nach und nach eine stringente und klug konstruierte Geschichte, die ungemein fesselt und einen nicht mehr loslässt.