Rezension

Schicksal …

Bella Ciao - Raffaella Romagnolo

Bella Ciao
von Raffaella Romagnolo

Bewertet mit 5 Sternen

Als Giulia Masca entdeckte, dass ihr Verlobter Pietro sie mit ihrer besten Freundin Anita hinterging, verließ sie fluchtartig ihr Heimatdorf Borgo die Dentro im Piemont, um in Genua das nächste Schiff nach Amerika zu nehmen. Jetzt, 1946, 45 Jahre später, kehrt sie als wohlhabende Frau mit ihrem Sohn Michael zu einem kurzen Aufenthalt zurück. Sie möchte mit der Vergangenheit abrechnen, erfahren wie es Anita und Pietro erging. Giulia selbst hatte Glück. Als sie Anfang des 20. Jahrhunderts schwanger in New York ankam, lernte sie den älteren Krämer Libero Manfredi kennen, der sie heiratete und für ihr Kind wie ein leiblicher Vater war. Doch nun, zurück in der alten Heimat, zögert sie. Soll sie sich zu erkennen geben? Soll sie Anita und Pietro aufspüren? Soll sie alte Wunden aufreißen? …

Die Autorin Raffaella Romagnolo wurde 1971 in Casale Monferrato/Piemont geboren. Sie ist Lehrerin für Geschichte und Italienisch und schreibt seit 2007 auch Romane, für die sie bereits für den Premio Strega nominiert war. Heute lebt die sie in Rocca Grimalda im Piemont.

Der Roman „Bella Ciao“ (Original „Destino“) befasst sich sowohl mit dem Leben einiger Familien in Italien, als auch mit dem Schicksal italienischer Auswanderer in New York, und umfasst den Zeitraum von etwa 1900 bis 1946. Der Leser erhält einen tiefen Einblick in die Not in Italien während der beiden Weltkriege, erfährt über die Ausbeutung der Fabrikarbeiter und der Landpächter, liest über Naturkatastrophen, über Gemetzel an der Front und über den schier aussichtslosen Kampf der Partisanen gegen den aufkommenden Faschismus unter Mussolini. Es sind viele Tote und Verletzte zu beklagen. Auch die ausgewanderten Italiener in den USA hatten ihre Probleme, mussten sie doch gegen manche Vorurteile ankämpfen. Während Giulia durch das Dorf wandert und auf ihr eigenes, manchmal hartes, Leben zurückblickt erfährt man auch, wie es ihrer damals besten Freundin Anita, deren Familie und Giulias Verlobten Pietro nach ihrer Flucht ergangen ist.

Das Buch beeindruckt durch seine Sprachintensität, ist jedoch wegen der vielen Zeitsprünge, Rückblenden und Perspektivwechsel nicht ganz einfach zu lesen. Es erfordert schon ein gewisses Maß an Konzentration, um das Geschehen zu verfolgen und die Ereignisse richtig einzuordnen. Sehr viele Personen bevölkern die Geschichte, so dass die eingefügten Familien-Stammbäume und die Übersicht über weitere Personen zu Beginn jedes der drei Teile sehr hilfreich sind. Die Autorin zeichnet ein atmosphärisch dichtes Bild des Lebens der Menschen im Piemont zur damaligen Zeit und besitzt ein feines Gespür für zwischenmenschliche Beziehungen. Die Charaktere sind sehr lebensecht und authentisch.  Auf eindrückliche, höchst lesenswerte Weise wurden hier fiktive Familiendramen mit historischer, sehr gut recherchierter Zeitgeschichte verbunden.

Fazit: So muss gute Literatur sein, anspruchsvoll, ernsthaft und doch unterhaltend.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 04. Mai 2019 um 11:00

Fazit: Stimmt genau!