Rezension

Schicksale

Das Leuchten der Rentiere -

Das Leuchten der Rentiere
von Ann-Helén Laestadius

Bewertet mit 5 Sternen

Elsa, ein junges Sami Mädchen, wächst mit den Traditionen ihres Volkes auf und wichtigster Bestandteil dieser Traditionen ist die Zucht der Rentiere. Obwohl ihr, als Tochter der Familie keine aktive Rolle bei der Arbeit mit der Herde zugedacht ist, entwickelt sie schon früh eine enge Bindung zu den Tieren. Als sie im Alter vonn neun Jahren einen bekannten Wilderer dabei beobachtet, wie er ihr Lieblingstier tötet, ist das ein brutaler Einschnitt in ihre kindliche Welt und leider erst der Anfang von jahrelangen Drohungen und Übergriffen. 

Das Buch zeigt auf sehr eindrückliche Weise eine Sicht auf das, bei uns als sehr sozial bekannte, Schweden. Ein  Land, das auch im 21.Jahrhundert noch massive Probleme mit der Akzeptanz der Sami, der indigenen Bevölkerungsgruppe zu haben scheint. Offiziell haben diese zwar ihre Rechte und dürfen ihre Traditionen leben, im Alltag sieht das aber ganz anders aus. Die Autorin beschreibt aus der Perspektive ihrer Hauptfigur Elsa, wie die Familien mit öffentlichen Bedrohungen leben müssen, wie es immer wieder, unter den Augen der Behörden zu Wilderei und Vandalismus kommt, wie die Rechte der Sami selbst von der Polizei unverholen ignoriert und Verfahren verschleppt werden. Aber sie beschreibt auch, wie es innerhalb der Familienverbände zugeht, wie gerade die junge Generation mit den starren Auslegungen der Traditionen zu kämpfen hat und sich nicht selten in Alkohol, Depression, oder gar Selbstmord flüchtet.

Die schwedische Autorin weiß durchaus wovon sie hier erzählt, ist sie doch selbst eine Angehörige der Sami. In ihrem wunderbar leise erzählten Roman lenkt sie den Blick des Lesers auf ein Problem, das vielen wahrscheinlich gänzlich unbekannt ist. Natürlich kennt man die Leidenswege der indigenen Bevölkerung in Amerika, oder auch die Thematik rund um die Rechte der Aborigines in Australien. Das es aber innerhalb Europas, in einem beliebten Urlaubsland derartige Probleme gibt, möchte man sicher gern verdrängen. Bei genauerer Betrachtung allerdings gibt es die unterschiedlichsten Völkergruppen, die innerhalb ihrer Herkunftsländer mit Hass und Hetze bedacht werden und die fast keine Lobby haben. Neben den nordischen Sami, abschätzig oft als Lappen bezeichnet zählen hierzu zb auch Sinti und Roma in Osteuropa, die verschiedenen Volksgruppen in Sibirien, aber auch die Uriguren. 

Mich hat die Lektüre des Buches sehr bewegt, obwohl ich anfangs leichte Schwierigkeiten hatte meinen Rythmus zu finden. Die Geschichte ist in drei Abschnitte gegliedert, in jedem erlebt man Elsa in einer anderen Altersstufe und hat so eine differenziertere Sicht auf die Ereignisse und Entwicklungen. Auf diese Weise nimmt man auch Anteil an der wachsenden Hilflosigkeit der Figuren, dem immer größer werdenden Druck und erlebt wie Großeltern, Eltern, Kinder den immer gleichen Repressalien ausgesetzt sind. Das Buch beschämt mich als Leser, es macht nachdenklich, auch über das eigene Verhalten und es zeigt, wie tief der Rechtspopulismus in unserer Gesellschaft noch immer, oder leider, schon wieder Wurzeln geschlagen hat. Klare Leseempfehlung.