Rezension

Wer bist du?

Eisige Schwestern
von S. K. Tremayne

Bewertet mit 4 Sternen

Lydia und Kirstie waren eineiige Zwillinge, fröhlich und aufgeweckt.
Als Lydia, kaum 6 Jahre, nach einem Unfall stirbt, verändert sich das Leben der ganzen Familie. Der Vater, Angus, Architekt, greift immer öfter zur Flasche und verliert nach einem Zwischenfall seine Arbeit. Sarah, die Mutter, fällt in ein tiefes Loch. Lydia war ihr bevorzugter Liebling, Kirstie der des Vaters.
Ein Jahr ist vergangen und sie sehen sich gezwungen, umzuziehen. Weg von all den Erinnerungen an Lydia und allem, was mal war.
Angus hat ein Haus auf einer recht einsamen schottischen Insel geerbt und dort sehen sie ihre Zukunft.
Während der Umzugsvorbereitungen stellt Kirstie ihrer Mutter plötzlich die Frage, warum sie immer Kirstie zu ihr sagen, sie wäre doch Lydia. Kirstie wäre doch gestorben, da würde eine Verwechslung vorliegen.
Bei Sarah liegen die Nerven blank, sie weiß nicht, wie sie damit umgehen soll. Welcher Zwilling lebt, welcher ist gestorben? ...

Der Umzug auf die Insel Torran ist ein kompletter Cut des vergangenen Lebens. Sie sind gezwungen, das Haus erst herzurichten, da es mehrere Jahre unbewohnt und den rauen Zeiten von Wind und Wasser standhalten musste. Aber sie werfen sich in dieses Abenteuer, haben sie doch die Hoffnung, alles Vergangene damit abschütteln und neu anzufangen zu können.
Aber auf der Insel ist nichts so, wie sie es sich erhofft haben.
Kirstie, die jetzt Lydia ist, muss den Wechsel auf eine neue Schule absolvieren, eine Schule, in der sie überhaupt nicht klar kommt. Sie wird von den anderen Kindern gemieden, sogar wie ein Aussätzige behandelt. Es geht etwas von ihr aus, das man nicht greifen kann. Sie spricht und spielt mit ihrer toten Schwester, die Kinder sehen das und meiden sie. Es ist schwer, unter diesen Umständen Freunde zu finden.

Sarah und Angus haben Geheimnisse voreinander, die auch der Leser erst sehr spät in vollem Umfang erkennen kann. Sie misstrauen sich, ja sie beginnen sich zu hassen. Sie können nicht mehr miteinander reden und jeder gibt dem anderen die Schuld. Statt, dass eine Besserung in ihre Ehe kommt, wird es immer schlimmer. Sarah ist letztendlich froh, wenn Angus Arbeit hat und nicht nach Hause kommen muss.

Das Buch ist mal aus der Sicht von Sarah, mal aus der von Angus geschrieben, wobei Sarah einen größeren Part hat.
Beide sind besorgt um ihre Tochter und doch versuchen sie, diese vor dem jeweils anderen Elternpaar zu beschützen. 

Es wird zu Beginn Spannung aufgebaut, der Leser bekommt Andeutungen, die lange sehr wage gehalten werden. Man hat anfänglich keine Ahnung, in welche Richtung sich die Story entwickeln wird.
Als Leser hat man Anteil an den Gedanken von Sarah und Angus, ohne jedoch erklärende Worte zu erhalten. Der Leser wird bewusst ahnungslos gehalten, wobei ich das Gefühl hatte, dass man sich irgendwann im Kreis drehte. 
Zum Ende gewann die Story noch einmal an Spannung und endete, obwohl meine Gedanken schon ein wenig in diese Richtung gingen, dann doch überraschend.

Den beiden Protagonisten Sarah und Angus konnte ich so gar keine Sympathie entgegenbringen. Zu ihren Gunsten jedoch muss ich  sagen, dass mir gefallen hat, dass ihre Tochter jeweils an erster Stelle stand, alles andere musste sich untergliedern.

Sehr gut beschrieben hat der Autor das Leben auf dieser unwirtlichen Insel mit einer bildhaften Sprache für die Örtlichkeiten. Ich hatte das ein oder andere mal das Gefühl, auch ich würde dort im Schlick und Matsch in Gummistiefeln durch das Watt laufen.

Ein ungewöhnlicher Roman, der sich mit dem Phänomen von eineiigen Zwillingen beschäftigt.
Spannend geschrieben mit einigen Momenten, die durchaus Gänsehautfaktor haben. Und über allem steht die Frage, was geschah in der Todesnacht von Lydia?