Rezension

Die Mauern durchbrechende Bedeutung kleiner Dinge

Eleanor & Park
von Rainbow Rowell

Omaha, 1986. Zwei Außenseiter in einem Bus voller mobbender Jugendlicher. Werden die beiden die Liebe finden?

Schon zu Anfang dieser Rezension möchte ich auf die beiden Protagonisten eingehen – Eleanor & Park. Sie bilden eine der ungewöhnlichsten Paarkonstruktionen, die mir in der Literatur bisher begegnet sind. Ich bin begeistert von der unkonventionellen Wahl der Hauptfiguren und den Kontrasten, mit denen gespielt wird. Auf der einen Seite ist da der zurückhaltende und feminin anmutende Halbkoreaner Park Sheridan. Und auf der anderen die pummelige Eleanor mit ihrer roten Lockenmähne und ihren Männerhemden. Beide leiden auf ihre Art an Mitschülern, Familie und ihren eigenen Selbstzweifeln. Diese zwei begegnen sich. Und eine unmöglich erscheinende Beziehung nimmt ihren Lauf.

Das Buch ist schön. Allein wie es anfängt: Park macht der neu an die Schule kommenden Eleanor seinen Doppelplatz im Bus frei, nachdem alle anderen sie rüpelhaft verscheucht haben. Park tut dies nicht begeistert, eigentlich will er nicht weiter auffallen. Doch nach und nach und mit jeder weiteren Busfahrt nähern sich die beiden kleinschrittig aneinander an. Es beginnt mit dem Austausch von Mix Tapes und Comics. Und weitet sich immer weiter aus. Anfangs beide von den Vorurteilen der anderen beeinflusst, durchbrechen sie nach und nach durch kleine Signale diese Mauer. Rainbow Rowell hat diese zaghafte Annäherung auf feinfühlige und behutsame Weise beschrieben und obwohl – augenscheinlich – nicht so viel passiert, erlangen kleine Gesten eine große Bedeutung und Spannung wird aufgebaut. Das Buch plätschert vor sich hin, die Gefühlswelt, das Innenleben und die zwischenmenschlichen Beziehungen stehen eindeutig im Vordergrund. „Eleanor & Park“ lässt kleine Dinge, die sonst in Vergessenheit geraten, ganz bedeutsam erscheinen.

Was mich besonders an dem Buch anspricht, ist, wie differenziert und vielschichtig die beiden Hauptcharaktere von der Autorin gezeichnet sind. Es sind realistische, authentische und menschliche Figuren. Und keine weichgespülten, idealtypischen. Die Gefühle der beiden werden von Rainbow Rowell einfühlsam beleuchtet und nachvollziehbar rübergebracht. Das Buch besticht vor allem durch die Menschlichkeit und Greifbarkeit seiner Hauptfiguren und ich habe auf wenigen Seiten schon ein recht genaues Bild von Eleanor & Park erhalten.

Selten wurden die Gefühle der ersten großen Liebe schöner und passender beschrieben als in „Eleanor & Park“. Rainbow Rowell fängt die ganze Aufregung, das Herzklopfen, den Enthusiasmus, jedoch auch die Zweifel der ersten großen Liebe in treffenden Sätzen auf wunderbare Weise ein.

Was die Autorin auch gut einfängt, ist die Gemeinheit der Menschen, die immer jemanden haben müssen, der unter ihnen steht und den Zwang haben, andere fertigzumachen. Sie leben davon, andere zu zerstören und sie an ihrem Glück zu hindern. Im Verlauf des Buches scheinen die im Bus herrschenden Zustände symbolhaft für die gesamten schwierigen Lebensumstände Eleanors & Parks zu stehen mit all den Hindernissen, die ihrer Beziehung in den Weg gelegt werden, und früh nimmt das Buch Bezug auf „Romeo & Julia“ – schon allein der Titel scheint eine Referenz zu Shakespeares bekanntem Werk zu sein. „Eleanor & Park“ ist ein Buch, das sich den chancenlosen Außenseitern auf den unteren Stufen der gesellschaftlichen Treppe widmet. Die Stimmung des Buches schwankt zwischen hoffnungsvoll und bedrückend.

Die Erzählweise mit der Er-/Sie-Perspektive und den wechselnden Innensichten in den Kapiteln gefällt mir gut. Der Schreibstil kommt ohne Schnörkel aus und die in anderen Büchern möglicherweise kitschig anmutenden Äußerungen wirken aus dem Mund von Eleanor & Park nicht aufgesetzt, sondern offen und ehrlich. Die Autorin schreibt poetisch und indirekt und dies passt dazu, wie zart sich die Beziehung zwischen Eleanor & Park entwickelt. Die Schlichtheit der Sprache passt zur Schlichtheit der Handlung.

Um den Vergleich mit John Green zu ziehen, dessen Zitat vorne auf dem Buchcover abgedruckt ist, unterscheidet sich „Eleanor & Park“ in dem Sinne von seinen Büchern, dass bei Green oftmals die komische Seite von Außenseitern im Vordergrund steht (schräge Fetische und ähnliches), wohingegen bei diesem Buch der traurige Aspekt im Mittelpunkt steht.

Leider kam bei mir allerdings beim Lesen nicht so das richtige „80er-Flair“ auf. Es hat mir nicht gereicht, ein paar Bands und Comics aus diesem Zeitraum aufzulisten. Da hätte noch mehr kommen müssen, um wirklich eine 80er-Jahre-Atmosphäre zu erzeugen und mich in diese Zeit zurückzuversetzen. Das ist schade, denn da wäre noch Potenzial vorhanden gewesen, das das Buch noch spezieller gemacht hätte. So wirkt die Wahl des Jahres leider nur wie eine Hülle und mir fehlte letztendlich das gewisse Etwas. Denn die Geschichte an sich ist nicht besonders, nur in ihrer ungewöhnlichen Paarkonstellation. Dass die Nebenfiguren etwas platt und farblos bleiben ist verzeihlich, da der Fokus eben eindeutig auf Eleanor & Park liegt.

Zum Abschluss dieser Rezension werde ich auf das von einigen Lesern offenbar etwas umstrittene Ende eingehen und meine Meinung dazu äußern (natürlich ohne etwas vorwegzunehmen!). Im Gegensatz zu vielen anderen kann ich die Reaktionen der Personen nachvollziehen, sie sind von der Autorin sensibel und verständlich dargestellt. Das Ende ist genau richtig. Es überzeugt durch seine unaufdringliche Schönheit. Ein offenes Ende ist das Einzige, was zu dieser Geschichte passt. Es ist weder zu niederschmetternd noch zu kitschig, was hätte passieren können, wenn die Autorin irgendwas festgesetzt hätte. Dieses Ende sticht aus der Masse an geschlossenen und oftmals aufgesetzten „Happy Ends“ heraus. Erfrischend.

Fazit: „Eleanor & Park“ ist ein leises und gleichzeitig starkes Jugendbuch über Freundschaft, erste Liebe, Familie, Mobbing, Identitätszweifel und Erwachsenwerden, das uns eines der ungewöhnlichsten und gleichzeitig schönsten Paare der Literatur schenkt. Eine ausgewogene Mischung an tiefsinnigen Gesprächen, komischen Momenten, liebenswürdigen Charakteren und ernsthafter Hintergrundthematik, die nicht kaltlässt. Ich schließe diese Rezension mit den Worten: Ein Hoch auf alle Außenseiter - ob 1986 oder heute!