Rezension

Eine meisterhaft erzählte Geschichte über Freundschaft, Liebe, uvm.

Und damit fing es an - Rose Tremain

Und damit fing es an
von Rose Tremain

Bewertet mit 5 Sternen

Eine Geschichte, die recht ernst ist und manchmal schwermütig daherkommt, jedoch sehr schön und gekonnt erzählt wurde.

 

Der Roman besteht aus drei Teilen. Teil 1 (S. 11-119) spielt hpts. in Matzlingen, im Mittelland der Schweiz in den Jahren 1947-1952, und zeigt das Leben von Gustav Perle und das von seinem Freund Anton Zwiebel. Gustav ist fünf am Anfang des Romans, lebt mit seiner Mutter in ärmlichen Verhältnissen in einer kleinen Wohnung, geht mit ihr zusammen die Kirche putzen und lernt, sonst nicht so viel vom Leben zu erwarten. Gustavs Vater ist seit Jahren tot. Anton kommt aus einer wohlhabenden jüdischen Familie, sein Vater ist Banker. Familie Zwiebel lebt in einer schicken Wohnung, darin steht ein Flügel, auf dem Anton auch gerne spielt. Gustav und Anton lernen sich in der Vorschule kennen. Es ist Anfang einer lebenslangen Freundschaft mit ihren Höhen und Tiefen. Gustav ist anfangs oft von Antons Mutter zum Eislaufen eingeladen. Auch wenn Anton etwas vorspielen möchte, ist Gustav immer dabei. Anschließend gibt es gemütliches Miteinander bei Köstlichkeiten zum Tee/Kaffee. Bald darf Gustav nicht mit. Er soll Nachhilfestunden nehmen. Seine Mutter sieht es nicht gern, dass Gustav oft bei den Zwiebels ist.

Im Teil 2 (S. 123-210) breitet der allwissende Erzähler die Geschichte von Gustavs Vater in Matzlingen in den Jahren 1937-1942. Für diese Rückblende wurde die Gegenwartsform benutzt mit der Intention, das Geschehen in der Vergangenheit näher heranzutragen. Erst hört es sich nach der Liebesgeschichte zwischen Erich Perle und Emilie, aber recht bald weiß man es besser. Die Nöte der jüdischen Flüchtlinge sind bildhaft und prägnant in den Erzählteppich hineingewoben worden. Im Jahr 1938 flohen jüdische Familien aus Österreich in die Schweiz. Gustavs Vater als stellvertretender Polizeichef in Matzlingen muss auf einmal entscheiden, wer bleiben darf und wer in die Hände von Nazis zurückgeschickt werden soll.

Erich Perle ist eine zutiefst tragische und leidenschaftliche Figur. Er muss sich zwischen zwei Lieben, zwischen Herz und Pflicht, zwischen Menschlichkeit und der Treue zu den Vorschriften des Staates entscheiden. Obwohl Erich Perle ein pflichtbewusster und aufrichtiger Mann ist, ist er auch ein Mann, dem die Entscheidungen seines Herzens sehr wichtig sind. Es gibt auch Polemik zu weiteren Themen, wie z.B. Neutralität, S. 157. Auch weitere Themen wie Familienleben, Man-Frau Beziehung, Liebe, Leidenschaft, Freundschaft, erfülltes Leben sind in den Erzählteppich gekonnt hineingewoben worden.

Das Thema Selbstbeherrschung ist in beiden Teilen ein wiederkehrendes Motiv. Dem Kleinen Gustav wird im ersten Teil von seinem Nachhilfelehrer eingebläut, dies wäre eine der wichtigsten Charakterzüge der Schweizer. Im zweiten Teil findet das Thema eine ganz andere Interpretation. Beide stehen in einem starken Kontrast zu einander. Überhaupt wird in diesem Roman gerne wie gekonnt mit Kontrasten gespielt, sowohl bei den Themen als auch bei den Figuren: Es gibt zwei Frauenfiguren, die eine prinzessenhafte Vorstellung von der Liebe und dem Leben insg. in den jungen Jahren hatten und später als verbitterte Nörglerinnen das Leben ihrer Kinder bis zum Schluss schwermachten. Dagegen stehen zwei weitere Frauenfiguren, die das Leben zu genießen wussten. Auch die Väter von Gustav und Anton, ihre Lebenswege und Schicksale stehen im deutlichen Kontrast zu einander. Konträr sind auch die zwei Hauptfiguren: Gustav macht das, was er kann mit den Mitteln, die er zur Verfügung hat. Anton hat den Kopf in den Wolken. Ihm wurde vom Anfang an eingebläut, er wäre ein toller Musiker/Interpret. Dem versucht er sein Leben lang gerecht zu werden. Gustav ist ein Mensch, der ohne Liebe aufwuchs, diese aber braucht und gerne auch gibt. Anton ist ein Egozentriker, der sich gerne über andere stellt und Hirngespinsten nachjagt.

Teil 3 (S. 231-331) erzählt das Leben der Hauptfiguren in den Jahren 1992-2002. Gustav besitzt ein kleines Hotel in Matzlingen und kümmert sich um seine Gäste. Anton ist Musiklehrer. Ein sehr guter sogar. Aber nach einigen Jahren will er es nochmals wissen und geht nach Genf. Die beiden sehen sich nur hin und wieder. Und von Mal zu Mal wird Anton immer absonderlicher.

Einiges kam mir recht überzeichnet vor, manches warf Glaubwürdigkeitsfragen auf.

Es lohnt sich aber diese Geschichte schon wegen der Sprache zu lesen. Diese Reife, die Einfachheit und Klarheit des Ausdrucks, die mit wenigen Sprachmitteln großes Kino herzaubern und einige schwierige Themen gekonnt interpretieren, sind schon recht beeindruckend. So etwas bekommt man nicht alle Tage.

Es gibt auch stimmige Reflexionen über das Leben, Freundschaft, schöne Sätze für die Zitatenliste, etc.

Fazit: Eine meisterhaft erzählte Geschichte über Freundschaft, Liebe, Leidenschaft, das Leben insg., die Fragen aufwirft, zum Nachdenken anregt und noch lange nachhallt.