Rezension

Still

Still Chronik eines Mörders - Thomas Raab

Still Chronik eines Mörders
von Thomas Raab

Bewertet mit 4.5 Sternen

Jettenbrunn ist ein kleines Dorf. Hier kennt jeder jeden und jeder hat ein Auge auf jeden. Dort wird dem Ehepaar Heidemann endlich ein Kind geboren. Aber der kleine Karl ist vom ersten Tag an schwierig und überfordert vor allem die Mutter mit seinem ununterbrochenen Geschrei. Als das Gefühl von Ohnmacht bei ihr Überhand nimmt und das Kind sich selbst die Ohren verletzt, sucht der Vater Rat im Krankenhaus. Durch Zufall findet er dort selbst heraus, was dem kleinen Baby fehlt. Es hat ein übermenschlich feines Gehör und die Menschen und ihre laute Welt fügen dem Kind körperliche Schmerzen zu. Deshalb lebt Karl von da an im Keller – in der Stille, die er selber sucht, die aber einhergeht mit Isolation und dem Unverständnis der Mitmenschen . Selbst seine Mutter kann sich mit seiner körperlichen Besonderheit, seiner Sprachlosigkeit und seiner Ablehnung, nicht abfinden, leidet seitdem an Depressionen und sucht alle Schuld bei sich.

Der Tod der Mutter im Wasser wird zu einem einschneidenden Erlebnis für Karl und er erkennt für sich, dass die absolute Stille des Todes allen Menschen Erlösung bringen könnte. So beschließt er, den Menschen Gutes zu tun und im Dorf und andernorts sterben die Leut‘ mit seiner vermeindlichen Hilfe.

Karl Heidemann ist ein Gequälter, ein Getriebener, ein Suchender. In der Abgeschiedenheit des Kellers, in der Stille, wächst er in seiner ganz eigenen Gedankenwelt auf und die erscheint dem Leser durchaus logisch und nachvollziehbar. Lange weiß er nicht, dass er sich nach Liebe sehnt, weil er nicht weiß, wie sich menschliche Nähe anfühlt. Sein Wunsch nach Stille wird nicht weniger aber er erkennt, dass er alleine ist in seinem tonlosen Leben. Man empfindet Mitleid mit ihm, wünscht ihm einen Helfer an die Seite, der ihn aus seiner verkehrten Welt herausholt. Einen der ihn versteht und der ihm zeigt, dass das Leben schöner ist als der Tod.

Es war mein erstes Buch von Thomas Raab und es war definitiv kein Thriller, sondern ein anspruchsvoller Entwicklungsroman, den ich hier mit „Still“ lesen durfte. Mit einer unerwarteten Eindringlichkeit findet der Autor einen ruhigen und fast nüchternen Erzählton, der den Leser von der ersten Seite an in die sonderbare stille Welt des Karl Heidemann hineinzieht, ihn gefangen nimmt und erschüttert und wer sich auf das teilweise gemächliche aber stetige voranschreiten der Handlung einlässt, wird mit einem wirklich interessanten Roman belohnt.