Rezension

Vom Leben und von falschen Abzweigungen

Vom Ende der Einsamkeit
von Benedict Wells

Bewertet mit 5 Sternen

Was ich inzwischen jedoch am meisten an Alva schätzte, war ihre Behutsamkeit. Es war, als wäre das Wort für sie erfunden worden.

Es gibt Bücher, die hervorragend geschrieben sind, andere, die einen Sinn ergeben, und wieder andere, die glücklich machen. Aber nur ganz wenige erfüllen alle drei Kategorien gleichzeitig. „Vom Ende der Einsamkeit“ von Benedict Wells ist eines dieser seltenen Bücher.

Jules wächst als jüngstes von drei Geschwistern in einer behüteten Familie auf, bis ein schwerer Schicksalsschlag die drei mit einem Mal zu Waisen macht und bei jedem der recht unterschiedlichen Geschwister tiefe seelische Narben hinterlässt. Jules flüchtet sich ins Fotografieren, dabei würde er eigentlich gerne schreiben. Auch in der innigen Freundschaft zu seiner Mitschülerin Alva geht etwas schief, und irgendwann fragt sich der junge Mann, ob er nicht im Leben die richtige Abzweigung verpasst hat. Etwas Rückhalt findet er in der wiederauflebenden Beziehung zu seinen beiden älteren Geschwistern. Und dann trifft er eine moralische Entscheidung, die die Leserschaft spalten wird (so hoffe ich jedenfalls ...).

Das Buch ist in Rückblenden geschrieben. Der knapp über vierzigjährige Jules wacht in einem Krankenhausbett auf und lässt verschiedene Stationen seines Lebens an sich vorbeiziehen. Dazu muss angemerkt werden, dass es sich um wohltuend chronologisch geordnete Rückblenden handelt, nicht um dieses chaotische neumodische Hin- und Herspringen zwischen den Zeitebenen. Überhaupt ist das alles wahnsinnig gut geschrieben. Wells denkt sich feinfühlig und tief in seine Charaktere hinein. Drohendes Unheil deutet er gerne mit plötzlichen, schlichten - und darum umso wirkungsvolleren - Sätzen an, wie: „Nichts deutete auf den Streit hin.“ Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen bleibt die Erzählung stets dicht und spannend.

Es ist ein Buch über Hoffnung, wo keine Hoffnung mehr scheint, über familiäres Zusammenwachsen, wo alles auseinandergerissen scheint. Ein wirklich weise geschriebenes Mutmachbuch. Das geht nicht ohne fünf Sterne ab.

Kommentare

Naibenak kommentierte am 27. Januar 2021 um 08:20

Wunderbar ♥ Das ist eine richtig schöne Rezi und es freut mich sehr, dass du diesen Wells auch liebst :-) Liebe Grüße an dich!!!

Arbutus kommentierte am 27. Januar 2021 um 14:16

Danke! Du schaffst es doch tatsächlich, überall richtige Herzchen hinzuzaubern, liebe Bi! <3 Ich schaffe das hier auf WLD nie, das gibt immer eine Fehlermeldung..  

gst kommentierte am 27. Januar 2021 um 17:13

Deine Rezension bringt es auf den Punkt. Sehr schön! Auch ich liebe dieses Buch und will noch mehr von diesem jungen Autor lesen.

Night-Monkey kommentierte am 31. Januar 2021 um 13:55

Sehr schöne und gut durchdachte Rezension, welche diese Geschichte und deine Eindrücke gut darstellt! Ich liebe dieses Buch ja ebenfalls :-)