Rezension

Die Familientyrannin: Ernste Themen hinter humoristischer Fassade

Der Zopf meiner Großmutter - Alina Bronsky

Der Zopf meiner Großmutter
von Alina Bronsky

Maxim ist mit seinen Großeltern aus der ehemaligen Sowjetunion geflüchtet. Juden sind der Großmutter zwar suspekt, aber als Tarnung sind sie allemal gut. Denn die Großmutter hat die Familie als Juden ausgegeben um als Kontingentflüchtlinge angenommen zu werden, Seine Eltern kennt Maxim nicht. Die Mutter ist tot, den Vater braucht er nicht zu kennen. Hat die Großmutter beschlossen. Überhaupt braucht Maxim nicht alles zu wissen. Schließlich ist er ein Trottel, wie die Großmutter nicht müde wird zu betonen. Ihr Schicksal ist doppelt und dreifach schwer, erzählt sie jedem, der es nicht hören will, denn sie muss sich um diesen "Trottel" kümmern. Der noch dazu alle möglichen Krankheiten hat und der deswegen nur pürierte Schonkost essen darf. Die Großmutter führt in dieser kleinen Familie ein strenges Regiment, inmitten des Flüchtlingsheims und einem fremden Land, in dem die Ärzte völlig inkompetent sind (genauso übrigens wie die Lehrer), weil sie Maxim für gesund erklären. So merkt sie schließlich als letzte, dass der Großvater sich verliebt hat.

Der Humor in diesem kleinen Büchlein ist schon recht bissig und vordergründig vermittelt es den Eindruck, dass es darum geht, sich über eine "wunderliche Alte" lustig zu machen. Doch so oft man auch den Kopf über diese tyrannische Frau schütteln will, deren Markenzeichen der hennagefärbte lange Zopf ist, hat das Buch auch seine nachdenklichen Töne. Die Großmutter ist gefangen in ihrer Weltsicht, die nicht selten alle anderen, deren Religionen und Lebensweisen abwertet. Doch man merkt auch immer wieder, dass sie in diesem Land, dessen Sprache sie nicht versteht, die Maxim in Eltern-Lehrer-Gesprächen großzügig frei interpretiert übersetzt, ziemlich verloren ist. Damit diese Familie nicht auseinander bricht, geht sie schließlich eine ungewöhnliche Konstellation ein. Was die Großmutter allerdings nicht weniger herrisch macht. Letztlich zeigt sich aber, dass die Großmutter die Menschen in ihrem Umfeld liebt, dies aber oft auf ihre ziemlich eigene Art zeigt.
Die Autorin hat die Figuren interessant gezeichnet, wenn auch viele davon überspitzt dargestellt sind, vor allem die Großmutter, die mir zwischenzeitlich ordentlich auf die Nerven ging. Manchmal ging es meiner Meinung nach auch zu oft darum, die Großmutter unmöglich zu machen, während mitunter eigentlich ernstere Themen wie Verlustängste oder Angst vor dem Unbekannten dahinter standen.
 
Stilistisch hat mir das Buch sehr gut gefallen. Die Autorin hat einen tollen Stil und arbeitet die Figuren sehr ausführlich aus. Die Geschichte wird aus Maxims Sicht erzählt, sodass man auch immer eine Gegenperspektive zur Wahrnehmung der Großmutter bekommt und daher nicht selten den Kopf über ihre Ansichten schüttelt. Inhaltlich war mir die tiefere Bedeutung oft zu versteckt und der humoristische Anteil zu vordergründig, sodass die Geschichte manchmal trivial und wenig substanziell wirkte, obwohl sie es gar nicht war. Für meinen Geschmack ist es einfach ein Augenzwinkern zu viel, aber das ist reine Geschmackssache.