Rezension

Eins

Eins - Sarah Crossan

Eins
von Sarah Crossan

Bewertet mit 5 Sternen

Tippi und Grace sind eins. Sie sind Schwestern, Zwillingsschwestern und mehr als emotional zusammengewachsen. Denn sie sind siamesische Zwillinge, die sich nicht nur ihr Leben sondern auch Teile ihres Körpers teilen.

Die Geschichte von Grace und Tippi lädt in einen ungewöhnlichen Lebensalltag ein, mit dem ich mich wohl aus einem voyeuristischen Interesse heraus auseinandersetzen wollte. Denn ehrlich gesagt, bisher habe ich mich mit siamesischen Zwillingen nie beschäftigt und ich kannte zuvor nicht mehr als einige Bilder in Zeitungen, Zeitschriften oder aus dem Internet, die mir zugegebenermaßen einen Schauer über den Rücken jagen.

Dann wurde ich auf diesen Buchtitel aufmerksam und Sarah Crossan fordert dazu auf, als Gast mehr über dieses verbundene Leben zweier Menschen zu erfahren.

Grace und Tippi waren mir von Anfang an sympathisch. Außerdem sind sie überhaupt nicht freakig, wie sie selbst von sich behaupten, sondern zwei sehr nette, jugendliche Schwestern, mit denen man richtig Spaß haben kann.

Die Autorin erzählt nicht nur von einem außergewöhnlichen Geschwisterpaar sondern sie hat sich dazu auch eines extravaganten Stils bedient und lässt die Schwestern abwechselnd in einer novellenartigen Notizform von den Ereignissen berichten. Anders als erwartet steht die „körperliche Einschränkung“ eine Zeit lang gar nicht so im Vordergrund, sondern die Autorin zeigt dem Leser, dass Tippi und Grace im Grunde nicht anders als andere Mädchen in ihrem Alter sind. Sie verlieben sich, haben Spaß und Probleme in der Familie, doch es kommen gesundheitliche Beschwerden als drohender Schatten hinzu.

Hier zeigt die Autorin, dass siamesische Zwillinge nicht nur durch ihre verbundenen Körper in ihrem Alltag etliche Probleme meistern müssen, sondern sie bietet eine Vielzahl an Hintergrundinformationen und erläutert welchen gesundheitlichen Risiken betroffene Menschen ausgesetzt sind.

Eingangs habe ich geschrieben, dass ich mich schon fast wie ein sensationslüsterner Voyeur gefühlt habe, als ich mich auf Grace und Tippi eingelassen habe. Doch die Autorin gibt sofort den Schwestern das Zepter in die Hand, um den Leser einen behutsamen Einblick in ihr Leben zu gewähren, der ihm vor allem Respekt gegenüber dieser Menschen abverlangt.

Denn Tippi und Grace gewähren nach und nach einen tiefen Blick in ihre Gefühlswelt. Man merkt, wie sie jahrelang darum gekämpft haben, als eigenständige Menschen betrachtet zu werden, nur um festzustellen, dass sie vielleicht doch nicht zu zweien werden möchten, weil sie eben schon immer eins gewesen sind.

Die Geschichte von Tippi und Grace hat mich sehr berührt, teilweise schockiert und sogar entsetzt, aber sie hat mich vor allem zum Nachdenken angeregt. Was ist schon normal und wer maßt sich an, darüber zu entscheiden? Wer sich an dieses doch schwierige Thema traut, sollte meiner Meinung nach nicht zögern, und sich auf die Bekanntschaft mit den beiden Mädchen einlassen.

© NiWa