Rezension

Klischee meets Logiklücke

Systemfehler -

Systemfehler
von Wolf Harlander

Bewertet mit 1 Sternen

Bei diesem Buch überraschen mich in erster Linie die vielen positiven Bewertungen. Ist das Thrillerpublikum wirklich so genügsam? 

Grundsätzlich ist die Idee interessant. Was wäre, wenn tatsächlich das Internet ausfallen würde? Nicht nur für Stunden, sondern ganz und gar. Nichts geht mehr. Würde dann nicht alles zusammenbrechen, Wirtschaft, Versorgung, Verkehr, Kommunikation? 

Diesen Gedanken spielt Wolf Harlander hier durch, ohne ihn groß zu vertiefen. 
Wir durchleben die Krise zusammen mit einer Familie, deren Mitglieder klischeehafter nicht sein könnten. 
Vater Daniel arbeitet bei einer Games-Firma, die seine Fähigkeiten unterschätzt und ist gestraft mit einer nörgelnden Ehefrau und Kindern, die tumb genug sind, nach überstandenem Flugzeugabsturz nach Cola zu jammern. Oma Renate kämpft sich tapfer durch die Ausnahmesituation, nur wenn sie bei ihrem Biobauern nicht mit Karte bezahlen kann, dann ist es aus mit ihrer Geduld. Und Daniels Schwester Doris ist Ärztin, die uns zeigt, dass heutzutage Leben vom Datenstrom abhängen, wer hätte das gedacht? 
Dazwischen versucht ein Ermittlerteam vom BND, den Verursachern der Krise auf die Spur zu kommen. Nelson und Diana sind weitgehend gesichtslos, stören aber auch nicht weiter.

Es werden hier also wacker alle erwartbaren Probleme abgearbeitet, nur über die Logik sollte man nicht weiter nachdenken. Während das Wasser knapp wird und der Strom ausfällt, wird Nelson frischer Kaffee angeboten, wenn er das richtige Büro besucht. Daniels spielsüchtiger Sohn ersteht auf dem Schwarzmarkt einen guten, alten Commodore 64, mit dem man bekanntlich offline zocken konnte. Dass so ein Gerät vermutlich auch Strom benötigt, ist zu vernachlässigen, wie überhaupt die ganze technische Seite dieses Cyberthrillers einen fragwürdigen Retrocharme verströmt. CB-Funkgeräte und „Spezialsoftware“ sind der Schlüssel zum Erfolg, das ist direkt niedlich. 

Beim Hören dieses Werkes ist man hin- und hergerissen zwischen Verwunderung und Entsetzen, weil einfach viel zu viel gar nicht sein kann und immer wieder jemand unfassbar dämlich reagiert. 
Es mag vielleicht ein wenig unterhalten, wenn man absolut nichts hinterfragt, aber den Blutdruck treibt es nicht in die Höhe. 

Das Hörbuch dauert 10 Stunden, 6 Minuten. Ausnahmsweise war ich nicht böse über die Kürzungen. Uve Teschner liest es tapfer. Seine Interpretation von Frauenstimmen ist immer etwas ungewollt komisch, hier aber einmal wirklich passend.

Dieses Buch ist vermutlich mein persönlicher Flopp des Jahres. 

Kommentare

Emswashed kommentierte am 04. September 2021 um 08:16

*ggg*

wandagreen kommentierte am 04. September 2021 um 09:42

"Nelson und Diana sind weitgehend gesichtslos, stören aber auch nicht weiter.". Nett von ihnen.

Ohohoh, einen Jahresflop braucht jeder!

Naibenak kommentierte am 04. September 2021 um 10:23

Uiii....

Wenn ich mir andere Rezis so ansehe, sind sie auch durchaus kritisch hinsichtlich der Logik und dennoch haben sie alle 4 Sterne. Eigenartig, denn solch grobe Fehler würden bei mir schwerer ins Gewicht fallen - sie häufen sich ja offenbar. Von daher: gut gemacht, Sursu ;-D Und schade, dass es so grausig war!