Rezension

Sympathie vs. Beschreibungstiefe

Witchmark
von C. L. Polk

Bewertet mit 3.5 Sternen

„Witchmark“ ist das Erstlingswerk von C. L. Polk, die bisher eher Kurzgeschichten geschrieben hat. Es geht um Magier und Hexen, merkwürdige Mordfälle, Kriegsveteranen, Sturmsänger, adlige Familien und Sekundäre, ein scheinbar zum Scheitern verurteilte Liebesgeschichte zwischen zwei Männern, Seelen, die nicht an ihrem Zielort ankommen und vieles mehr.

Doktor Miles Singer ist Psychologe und kümmert sich um die zurückgekehrten Veteranen aus dem Krieg, der zwischen den Ländern herrscht. Was er geheim hält: durch seine magische Gabe kann er durch Berührung in das innerste der Menschen blicken und den Heilungsprozess gezielt zum Positiven manipulieren. Dabei entdeckt er bei einigen Soldaten merkwürdige dunkle Wolken im Geist. Und diese scheinen die Heimgekehrten zu grausamen Untaten anzustiften…

Eines Tages bringt ein geheimnisvoller Fremder einen vergifteten Mann ins Krankenhaus, der in Miles Armen stirbt und ihm dabei seine Seele übereignet. Bevor Miles versteht, was passiert ist, ist er bereits tief im Geschehen drin und eins führt zum anderen. Der geheimnisvolle Fremde entpuppt sich als eine Art attraktiver Geheimagent mit mächtigen magischen Fähigkeiten aus einem anderen Teil des Landes, der Miles Unterstützung sucht, da dieser durch das Binden von Seelen an die eigene Seele und Aura zum Gesternten wurde…

Der Fremde, eine Amaranthine namens Tristan, möchte grausame Mordfälle aufklären, die von ehemaligen Soldaten vollzogen wurden. Da auch Miles herausfinden möchte, warum die Veteranen dunkle und größer werdende Wolken im Geist mit sich tragen, schließt er sich ihm an. Gemeinsam begeben sich Tristan und Miles auf die Spur der Toten.

„Witchmark“ beinhaltet neben den sympathischen Hauptfiguren viele liebenswerte Charaktere, wie die Krankenschwester Robin, Miles magisch hochbegabte Schwester Grace oder die freundliche Haushälterin von Tristan. Es wird eine zauberhafte neue Welt präsentiert, die nicht im Detail beschrieben wird, aber zu der es immer mal wieder neue Hinweise und Erläuterungen gibt. Das Ganze scheint in einer Art vorindustriellen England zu spielen. Es gibt bereits Autos, dennoch herrschen Pferdekutschen vor und ein Gentleman wird an seiner Kleidung erkannt. Die Rolle der Frau scheint eine ähnliche Gleichberechtigte zu sein, wie in der heutigen Zeit, dennoch gibt es auch hier „edle Damen“ mit optischen Anmutungen wie aus dem frühen 19. Jahrhundert. Adlige Familien und sogenannte „Sturmsänger“ lenken die Geschicke und das Schicksal des Landes „Aeland“. Zu einer dieser Familien gehören auch Miles und seine Schwester Grace. Da Miles jedoch nicht als „Sekundär“ (also als Magie-Batterie für einen höhergestellte(n) oder begabtere(n) Magier/Hexe) dienen möchte, lief er vor vielen Jahren von zuhause davon um als Arzt mit seinen heilenden Fähigkeiten etwas Gutes in der Welt zu bewirken.

Ich weis gar nicht, wo ich anfangen soll…
Und ich glaube, dass ist auch schon die Herausforderung. In diesem Buch gibt es so viele Charaktere, neue Gegebenheiten und Eigenheiten, dass ich anfangs Schwierigkeiten hatte alles zu verstehen. Der Abhandlung der Geschichte konnte ich leicht folgen, dennoch wird der Leser ohne große Erklärungen ins Geschehen geworfen und muss sich dann zurechtfinden. Das mag auf der einen Seite spannend sein. Nach und nach können neue Dinge erfahren werden und die ganze magische Welt des Buches offenbart sich. Andererseits hätte ich mir an der einen oder anderen Stelle ein wenig mehr Ausschmückungen gewünscht, sodass das ganze mehr Tiefe, mehr Persönlichkeit bekommt. Oft fragte ich mich, wieso bin ich jetzt an dieser Stelle? Wieso gehen sie jetzt da hin? Warum bleiben sie nicht zusammen, wenn es so wichtig und dringend ist? Warum gehen nach diesem im Buch passierten Tag alle einfach nach Hause, obwohl ein schwerer Mord geschehen ist und der eigensinnige Vater von Miles und Grace offensichtlich andere Absichten hat…

Der geschilderte „Ernst“ der Lage ist meiner Meinung nach nicht in den Gefühlsregungen und Reaktionen der Protagonisten zu erkennen. Den sympathisch dargestellten Charakteren fehlt es aus meiner Sicht an Tiefe durch zu bewältigende Vergangenheitsepisoden oder ähnlichem.
Die Liebesgeschichte von Miles und Tristan fühlt sich sehr niedlich an, gerne hätte ich mehr romantische Szenen und Kennenlern-Momente beschrieben bekommen. Am Ende des Buches ist die Beziehung jedoch scheinbar soweit fortgeschritten, dass sie nicht mehr ohne einander sein möchten. Für mich fühlte sich das nicht authentisch an. Mein Eindruck ist, dass die Geschichte in einem sehr kurzen Zeitraum von ein bis drei Wochen erzählt wird.

Nichtsdestotrotz gefällt mir die in das Buch gesteckte Fantasie der Autorin. Wenn ich auch die Ereignissprünge an manchen Stellen verwirrend fand, so mag ich dennoch den versuchten Genre-Mix von „Witchmark“, der aus Romantik-, Fantasie-, Krimi- und Historie-Elementen besteht.

Ich mag das Buch, wie es aussieht, dass es von der Hobbit Presse und Klett-Cotta verlegt wurde und weiß jetzt schon, dass ich den zweiten Band gerne lesen möchte. Schließlich möchte ich erfahren, wie es mit Miles und Tristan weitergeht, was genau eine Amaranthine ausmacht, warum es die „Sturmsänger“ gibt, was es noch für Städte und Orte in der magischen Welt von C. L. Polk gibt, was mit den verstorbenen Seelen passiert und so weiter.

Aus großen Sympathiegründen bekommt das Buch von mir vier Sterne, dennoch war ich mir anfangs nicht sicher, ob ich nicht nur drei Sterne geben würde… Ich bin auf die weitere Entwicklung der Autorin gespannt.