Rezension

Viel Gewalt und Brutalität

Apfelmädchen
von Tina N. Martin

Bewertet mit 4 Sternen

Eine Lehrerin wird in der nordschwedischen Stadt Boden ermordet aufgefunden. Dabei wird der Leichnam in Szene gesetzt: er hängt an der Decke, die Hände wurden mit zwei dicken Nägeln am Körper festgenagelt.

Tina N. Martin, Jahrgang 1980, ist studierte Literaturwissenschaftlerin und arbeitet als Lehrerin an einer Schule in Boden, der Stadt, in der auch der Thriller spielt.

„Apfelmädchen“ ist das Debüt der Autorin Tina N. Martin und wird als „bestes Debüt des Jahres“ gefeiert.

Die Autorin entwickelt die Story sehr langsam auf zwei Zeitebenen. Neben dem Fund der Leiche und den Ermittlungen gibt es immer wieder Rückblenden in die Zeit ab 1975. Die Rückblenden, in denen wir Viola und ihre Familie kennenlernen, sind mit den entsprechenden Jahreszahlen überschrieben. Leider wird, besonders zu Beginn, nicht unmittelbar deutlich, auf welcher Ebene gerade erzählt wird. Dies liegt u.a. auch daran, dass Tina N. Martin sehr viele Protagonisten auftreten lässt, die nicht immer gleich zuzuordnen sind, zumindest hatte ich damit zu Beginn größere Schwierigkeiten. Beides führte dazu, dass für mich zu Beginn überhaupt keine Spannung aufkam und ich mich ziemlich schwertat. Das änderte sich erst, als etwa in der Mitte des Thrillers die fünfjährige Ellen entführt wird. Steht diese Entführung in einem Zusammenhang mit dem Tod der Lehrerin?

Das Ermittlerteam besteht aus Idun Lind und Calle Brandt, unterstützt von Siv, die eine exzellente Zuarbeit leistet. Sie arbeitet effizient, scheint jedoch auch ein Privatleben zu haben, von denen der Leser genauso wenig erfährt wie von dem des eigenbrötlerischen Calle Brandt. Von Idun Lind erfahren wir, dass sie joggen geht, alleine lebt und ihre Familie aus Schwester und Vater besteht. Sie hat außer den Kollegen und der Familie offensichtlich keine weiteren sozialen Kontakte. Die Arbeit steht sowohl für Idun als auch für Calle absolut im Vordergrund – und sie leisten offensichtlich gute Arbeit.

Bei der Vielzahl der weiteren Protagonisten sind die meisten trotz mitunter kurzer Auftritte gut vorstellbar. Hier möchte ich die gutsituierte gelangweilte Nachbarin nennen, die aus ihren Beobachtungen völlig falsche Schlüsse zieht. Ein ausgezeichneter Einfall der Autorin, nicht alles ist so, wie es scheint. Vorsicht also bei Vorverurteilungen.

In diesem Thriller, den ich eher als Krimi bezeichnen würde, gibt es viel Gewalt, offene brutale Gewalt, versteckte Gewalt, Gewalt, die der Leser nur zwischen den Zeilen erahnt, Unterdrückung, Machtausübung und zwei wirklich schrecklich detailliert beschriebene Szenen, die zart besaitete Gemütern kaum aushalten werden.

Ein großer Teil davon betrifft die häusliche Gewalt, die Viola und ihre Familie aushalten müssen. Das Thema ist nun wirklich topaktuell und führt dazu, dass ich trotz meiner oben genannten Kritik und der doch recht einfach gehaltenen Sprache 4 Sterne vergebe.

Fazit: ein Krimi mit viel Gewalt und einigen guten Ideen, aber mit Luft nach oben