Rezension

Von Spannung induziertes Herzrasen

Krokodilwächter
von Katrine Engberg

Bewertet mit 5 Sternen

Was für ein tolles Buch? Sehr schöne, außergewöhnliche Aufmachung. Eine Geschichte mit ordentlich Tiefgang. Vielschichtige Charaktere. Spannung bis zum Schluss. Da bleiben für Thrillerfans keine Wünsche offen.

Schon die Aufmachung des Buches ist etwas Besonderes. Die Abbildungen im Netz können das überhaupt nicht rüberbringen. Das Buch ist in feines, rotes Leinen eingebunden, was ich schon sehr edel finde. Es wird komplettiert durch einen weißen Umschlag, der den Titel in erhabenen silbernen Buchstaben trägt, und der durch fünf präzise Einschnitte das rote Leinen durchscheinen lässt.

Krokodilwächter startet mit der Präsentation einer seltsam zugerichteten Leiche im Haus von Esther de Laurenti. Es ist ihre junge Mieterin Julie. Sofort machen sich die Polizeiassistenten Jeppe Kørner und Anette Werner an die Ermittlungen. Spuren werden gesichert, Personen aus Julies Umfeld verhört. Die Hinweise deuten in diffuse Richtungen und lassen die beiden eine Weile im Dunkeln tappen. Merkwürdig ist jedoch, dass durch den Mord eine Szene aus dem Kriminalroman, an dem Esther de Laurenti gerade arbeitet, nachgestellt wurde. Mit jedem Fünkchen Licht, das das Dunkel erhellt, decken die Ermittler das aus meiner Sicht viel größere Verbrechen auf.

Esther de Laurenti scheint nach der Pensionierung vom Universitätsbetrieb der vollständig ausfüllende Lebensinhalt zu fehlen. Wie viele andere versucht sie sich an einem Kriminalroman. Ansonsten lebt sie in den Tag hinein, lässt sich von einem jungen Mann unterhalten. Die Leere in ihrem Leben füllt sie, obwohl sie es aus meiner Sicht nicht nötig hätte, mit billigem Tetrapack-Rotwein. Dabei ist das potentielle Glück ganz nah.

Jeppe Kørner ist als Polizeiassistent der eine Lebenskrise durchmachende leitende Ermittler. Seine eigenen Probleme stören seine Konzentration auf den Mordfall. Trotzdem kämpft er sich durch die Ermittlungen, die zunächst im Nebel der Wirren stochern. Im Laufe der Zeit werden immer mehr Knoten immer schneller aufgelöst. Parallel zu diesen dienstlichen Lichtblicken eröffnen sich auch private positive Impulse. Wie tief Jeppe allerdings durchgehend in seinem Sumpf festhängt, spiegelt sein Schmerztablettenkonsum wider.

Anette Werner, ihres Zeichens ebenfalls Polizeiassistentin und Jeppe Kørners Partnerin, verkörpert den ausgleichenden Ruhepol in diesem Thriller. Mit ihrer Anwesenheit bei Verhören stärkt sie Jeppe den Rücken. Weil sie ohne viel Gewese und mit geringem Aufmerksamkeitsbedarf im Hintergrund eine Menge zur Aufklärung beiträgt, bin Anettes Figur fast näher als Jeppes. Dass sie insgesamt etwas burschikos wirkt, stört mich dabei nicht.

Julie lernt man, nachdem sie tot in ihrer Wohnung aufgefunden wurde, also post mortem durch die Aussagen der vernommenen Personen im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen kennen. Nachdem ich sie zunächst uneingeschränkt in der Opferrolle sah, empfand ich zwischenzeitlich eine große Distanz zu ihr. Sie wurde in ein schlechtes Licht gerückt und somit für mich zu einer unliebsamen Persönlichkeit. Mit der Aufklärung des Mordfalls konnte Julie meine Sympathie jedoch wieder zurück gewinnen.

Krokodilwächter umspielt einen Zeitraum von einer Woche. Dabei stellt jeder Tag einen Abschnitt mit mehreren Kapiteln dar. Die Kapitel endeten regelmäßig so, dass ich einfach weiterlesen musste. Das Einstreuen der Manuskriptpassagen aus Esthers Krimi fand ich sehr gelungen. So konnte man immer wieder aus einem anderen Blickwinkel auf ein Szenario zurückblicken. Dadurch wurde die ohnehin schon vorhandene Spannung noch verstärkt. Gewöhnen musste ich mich erst an die vielen dänischen Namen, insbesondere für Straßen und Plätze. Das Lesevergnügen wurde davon jedoch nicht im Geringsten geschmälert.

Ich kann Krokodilwächter uneingeschränkt weiterempfehlen. Allen, die auf von Spannung induziertes Herzrasen stehen, wird das Buch genau so viel Vergnügen bereiten wie mir.