Rezension

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Weiter geht die Reise

Kaleidra - Wer die Seele berührt -

Kaleidra - Wer die Seele berührt
von Kira Licht

Nichts ist, wie es scheint im packenden zweiten Band von Kaleidra!

Obwohl das vermutlich nicht  möglich ist, hatte ich an den zweiten Band von Kira Lichts neuer Trilogie Kaleidra noch größere Erwartungen als an den ersten, der mich vor allem mit seinen Details und seiner außergewöhnlichen Umsetzung von sich überzeugen konnte. Wie sah es jetzt aber mit "Wer die Seele berührt" aus?

! Spoilerwarnung !
Eine Spoilerwarnung vorweg. Es handelt sich hierbei (wenn das nicht schon ersichtlich geworden ist) um einen Fortsetzungsband. Wer den ersten Band also nicht gelesen hat und das noch irgendwann einmal vorhaben sollte, dem wird an dieser Stelle freundlich geraten mit dem Lesen aufzuhören. Es besteht die Möglichkeit mit Spoilern lesespaßvernichtender Natur konfrontiert zu werden. Danke für die Aufmerksamkeit.

Inhalt:
Gut, nachdem das geklärt ist, weiter zum Inhalt. "Wer die Seele berührt" schließt nahtlos an die (kliffhangerartigen)Geschehnisse seines Vorgängers an. Nachdem Emilia von ihrem Kindheitsfreund Matti ausgeknockt wurde, kommt sie in der Quecksilberloge von Washington D.C. wieder zu sich. Dort trifft sie auf Professor Avalanche, den Meister selbiger Loge, der mittlerweile auch Ben unter seine Kontrolle gebracht hat. Der skrupellose Wissenschaftler will von unseren Alchemisten nur eins. Sie sollen zusammen mit Matti das Wasser des Lebens fertigbrauen, egal zu welchem Preis. Harte Zeiten stehen bevor und Emilia weiß nicht mehr, wer Feind und wer Freund ist. Als schließlich auch noch eine Expedition nach Kaleidra ansteht, ist das Chaos perfekt.

Meine Meinung:
Der zweite Teil der Geschichte um Kaleidra ist vor allem eins: Anders als ich erwartet hatte.
Nun muss man vielleicht dazu sagen, dass ich mir nicht ganz sicher bin, was genau ich eigentlich erwartet hatte, aber ich kann definitiv sagen, dass mich vieles an dem Buch überrascht hat.

Darunter fällt zunächst einmal die Handlung an sich. Zweite Bände haben es naturgemäß immer etwas schwerer als ihre Vorgänger. Das gilt vor allem Trilogien. Die Aufgabe eines guten zweiten Bandes ist es meiner (persönlichen) Meinung nach, die Geschehnisse und offenen Enden des ersten Bandes aufzunehmen und weiterzuentwickeln, ohne aber zu viel vorwegzunehmen (damit man den Abschluss genießen kann). Die große Kunst dabei ist, das Buch so zu gestalten, dass es sich nicht zieht und der Leser nicht die Lust daran verliert. Man braucht also vor allem eine starke Handlung.
Die Handlung des zweiten Bandes hat mich dahingehend überrascht, dass sie wesentlich geradliniger ist, als die des ersten. Wo "Wer das Dunkel ruft" so unübersichtlich in seinen Informationen und Handlungssträngen war, ist dieses Buch geradezu ein Musterbeispiel für eine geradlinige Handlung. Zwar gibt es die massiven Informationsfluten immer noch, aber im offenen Gegensatz zum ersten Teil gibt es hier fast keine Nebenhandlungsstränge und Abschweifungen in der Handlung. Das macht das Buch gut und (im Vergleich zum ersten Teil) geradezu flüssig lesbar. Die Geschichte selbst ist spannend und beinhaltet immer wieder neue Drehungen und Wendungen, die das Leseerlebnis auf eine neue Stufe bringen. Vieles aus dem ersten Band wird wieder aufgegriffen, man erhält Antworten auf einige Fragen (die aber irgendwie nur noch mehr Fragen aufwerfen, aber egal. Es macht Spaß, Theorien aufzustellen.) und langsam finden die vorangegangenen Geschehnisse zueinander. Nach dem (doch teilweise etwas verwirrenden) ersten Teil der Geschichte ist dieser Handlungsaufbau (mal wieder hervorragend unterstützt durch Kiras tollen Schreibstil) eine willkommene und erfrischende Abwechslung, die mir nur noch mehr Lust darauf macht herauszufinden, wo dieses fantastische Handlungskonstrukt hinführen wird. 

Ebenfalls wieder toll umgesetzt wurde das naturwissenschaftliche Thema des Buches. Kira Licht hat einfach ein Talent dafür, technische Elemente mit Fantasy zu verbinden, ohne, dass es zu schwerwiegend oder zu kompliziert wirkt. Die doch etwas düstere Handlung wird gut durch diese zusätzlichen Infoelemente aufgelockert, sowie durch den geschickt eingesetzten Humor.

Aber auch die Charaktere stehen dem in nichts nach. Nachdem mein Wunsch scheinbar erhört wurde und Emilia doch wesentlich weniger Charakteren als im ersten Teil vorgestellt wurde, konnte man endlich mal einen guten und näheren Blick auf die bereits eingeführten Charaktere werfen.
(Hinweis: Auch wenn die neu eingeführten Charaktere ebenfalls ohne Ausnahme spannend und einprägsam waren, möchte ich hier aus spoilertechnischen Gründen nicht näher auf sie eingehen. Es macht mehr Spaß, sich beim Lesen mit ihnen zu beschäftigen :D)
Lange Geschichte kurz: Emilia konnte mich wieder in voller Bandbreite von sich überzeugen. Sie war schon im ersten Band eine unglaublich starke Protagonistin, aber gerade in diesem Buch (wo sie sich schon ein wenig an ihre Umstände gewöhnt hat) kann sie wirklich zeigen, was in ihr steckt. Und das ist wesentlich mehr, als man so denken mag. Auch von Ben hat man mehr zu sehen bekommen. Auch wenn ich von Ihm als Charakter immer noch nicht zu 100% überzeugt bin (was nichts heißen muss, weil er trotzdem ein sehr gut gemachter Charakter ist), hat es mich sehr gefreut, andere Seiten an ihm zu sehen und die Entwicklung seiner Beziehung mit Emilia zu beobachten. Ich bin gespannt, zu erfahren, wie die Geschichte der beiden enden wird.

So toll das Buch auch sein mag, es gibt kleinere Abstriche. Die Geschichte an sich und die Figuren sind zwar allesamt toll gemacht, jedoch hatte ich stellenweise das Gefühl, dass ihre Handlungen nicht ganz zusammenpassen. Das mag zwar nicht unbedingt ein Kritikpunkt sein; es besteht ja immerhin noch die Möglichkeit, dass das alles geplant ist und hinterher noch Sinn ergibt (sollte das so sein, entschuldige ich mich hiermit in aller Form). Trotzdem kamen mir manche Aktionen doch sehr undurchsichtig  vor.
Ein anderer Punkt ist, dass die Geschichte trotz allem doch noch ziemlich lückenhaft ist. Das ist kein Fehler, sondern ein eigener Charakterzug des Buches, der erst dafür sorgt, das die Geschichte das werden kann, wozu sie bestimmt ist. Nur leider ist das dem Lesegefühl dennoch ein wenig abträglich. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass es sich gerade deswegen lohnt, das Buch nach Abschluss der Geschichte noch einmal in die Hand zu nehmen und alles rückblickend zu betrachten. Bestimmt gibt es vieles, das einem erst auffällt, wenn man die ganze Geschichte kennt. Es gehört ja auch ein Stück weit zu einem guten Buch, das man beim Lesen immer wieder etwas neues entdeckt :)

Fazit:
"Kaleidra - Wer die Seele berührt" ist in vielerlei Hinsicht ein hervorragender Fortsetzungsband, der die ureigene Handschrift von Kira Licht trägt. Trotz leichter Abstriche hat es mir viel Spaß gemacht, das Buch lesen zu dürfen und mich mit anderen darüber auszutauschen (an dieser Stelle noch einmal vielen Dank an die Bastei Lübbe, die mir das Buch im Zuge einer Leserunde zur Verfügung gestellt hat). Es gibt immer wieder Neues zu entdecken und ich kann es kaum erwarten, wie die Geschichte um unsere Alchemisten weitergeht. Danke an Kira Licht für dieses tolle Buch.

Für eine hervorragende Leistung mit kleineren Abstrichen, die ihrem Vorgänger in nichts nachsteht gibt es daher von mir 4 1/2 von 5 Sternen. 

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.