Rezension

Absolut anders und so gut!

Wen der Rabe ruft - Maggie Stiefvater

Wen der Rabe ruft
von Maggie Stiefvater

Bewertet mit 5 Sternen

Wenn mich jemand fragen würde, wie ich WEN DER RABE RUFT mit einem Wort beschreiben würde, dann wäre dieses Wort: ANDERS.
Maggie Stiefvater beherrscht es absolut wunderbar, Geschichten zu schreiben, die anders sind als die restlichen Bücher, die sich mit ihren das Regalbrett teilen. Andere Story, andere Thematik, andere Herangehensweise, andere Charaktere - einfach alles ist bei ihr etwas anders. 

In den meisten Büchern beginnt die eigentliche Handlung erst dann, sobald der Leser mit in das Buch eingestiegen ist. Es gibt lange Erklärungen, Hintergrundinformationen und eine Einführung, die dem Leser den Einstieg so leicht wie möglich macht. In WEN DER RABE RUFT ist das allerdings ein bisschen, wie solte es sein, anders. Man lernt Blue und den wilden "Haufen" von Frauen in ihrem Haus kennen, lernt, dass sie so etwas wie eine "Wahrsagerinnen-Firma" haben und dass alle dort nicht ganz normal sind. Visionen von der Zukunft, von Toten und andere übernatürliche Phänomene sind in diesem Haushalt ganz normal. Genau so stellt die Autorin es auch dar: total natürlich. Daher keine Erklärungen. Man lernt selbst Stück für Stück die Welt von Blue kennen und das ist einer der Aspekte, die ich an diesem Buch so besonders fand. Einige Dinge bleiben daher mit Fragezeichen versehen, das "wieso" und "warum" wird manchmal nicht beantwortet, aber das muss auch gar nicht sein. Es dauert, bis manche Sachverhalte klar werden, weil es für die Charaktere im Buch ganz selbstverständlich ist sie zu wissen, daher wird man als außenstehender Leser erst mal außen vor gelassen. So als wäre man gar nicht da und nur ein Geist, den selbst Blues Verwandte nicht sehen können. 

Apropos Geist, wie bereits im Klappentext erwähnt sieht Blue den Geist von Gansey, einem bis daher völlig Fremden für sie. Die bedeutet, dass sie ihm den Tod bringen wird, vermutlich weil er ihre wahre Liebe ist und sie ihn durch einen Kuss töten wird. Jetzt mal ganz grob gesagt. Klingt ganz so, als würde Blue Gansey dann kennenlernen, sie würden sich unsterblich ineinander verlieben und gemeinsam versuchen, dem "Fluch" mit dem Kuss auf die Spur zu kommen, ihn zu brechen und somit Ganseys Tod zu verhindern. Könnte man ja erwarten oder? Ja, wenn es sich hier um ein "normales" Buch handeln würde. Aber, wie schon gesagt, wir haben es hier mit einem Buch aus dem Genre "Anders" zu tun.

WEN DER RABE RUFT war also gar nicht so, wie ich es erwartet hätte. Einmal ist das dieses schrille Treiben in Blues Haus. Dann sind da aber noch die 4 Jungs von der Aglionby Schule, auch genannt die Raven Boys. Ich habe mich ja schon bei der NACH DEM SOMMER Trilogie gefragt, woher Frau Stiefvater ihre Inspirationen für ihre männlichen Chraraktere herbekommt, da diese eigentlich immer interessanter sind als die weiblichen Personen. Aber in WEN DER RABE RUFT setzt sie dem Ganzen mit ihren Jungs ja wirklich die Krone auf. So eine bunte und interessante Mischung habe ich ja noch nie gesehen. Gansey, Adam, Noah und Ronan sind ein mindestens genau so bunter Haufen wie die Damen bei Blue zu Hause. Auf keinen Fall darf man diese Jungs als "normal" bezeichnen, denn davon ist jeder so weit entfernt wie... Die Erde vom Mond. Ich könnte sie nich mal richtig beschreiben, denn das würde ihnen einfach nicht gerecht werden. Sagen wir es mal so: Jeder der 4 Jungs hat etwas an sich, für das man sie mag. Gansey ist ambitioniert, Noah irgendwie zum Knuddeln, Adam hat etwas sehr Sanftes an sich und Ronan... nun ja, wenn er nicht gerade mit dem Kopf durch die Wand rennt, dann hat auch er seine guten Momente ;) ! Wenn man aber glaubt, die Jungs nach 5 Minuten durchschaut zu haben, dann irrt man sich gewaltig. Sie sind allesamt sehr vielschichtig und immer wieder zu überraschungen gut. Ich glaube, ab dem Moment, da sie Blue kennenlernen, lernt jeder der Jungs etwas über sich, dass er vorher noch nicht wusste, auch wenn man es nicht bei jedem direkt mitbekommt.

Irgendwann heißt es im Buch nicht mehr Blue und die Jungs von der Aglionby, sondern Blue und IHRE Jungs, was es sehr gut trifft. Aber was genau machen die 5 eigentlich zusammen? Damit kommen wir jetzt zur eigentlichen Überraschung, die WEN DER RABE RUFT für mich bereitgehalten hat: Die Ley-Linien. So, und wenn ihr euch jetzt denkt, was bitte soll das denn sein, dann geht es euch genau so wie mir, als ich das erste mal im Buch darüber gestolpert bin. Um einmal eine Internetseite zu zitieren: "Als Ley-Linien (auch Heilige Linien) werden von einigen Schriftstellern die Anordnungen von Landmarken, wie beispielsweise Megalithen, prähistorischen Kultstätten und Kirchen bezeichnet." (QUELLE) So, das könnt ihr jetzt erst mal Sacken lassen. Diese sogenannten Ley-Linien sind Dreh und Angelpunkt des Buches, denn Gansey ist geradezu darauf versessen diese zu erforschen und hofft, mit ihrer Hilfe den toten walisischen König Glendower zu finden... Ja, auch jetzt werdet ihr euch Fragen, wer oder was ist das den nun schon wieder?! Also ich glaube, am besten lasst ihr euch das von Gansey selbst erklären, denn das kann er sehr gut und ansonsten wäre auch die ganze Spannung weg.

Was ich euch sagen kann ist, dass die Sache mit den Ley-Linien und Glendower sehr interessant und spannend zu verfolgen ist, auch wenn es vielleicht ein bisschen verrückt klingt. Zusammen erfoschen Blue und die Jungs das Rätsel dieser Ley-Linien und Glendowers und stoßen dabei auf einige ungewöhnliche Dinge. Unter normalen Umständen hätte ich damit vielleicht nichts anfangen können, aber, wie schon gesagt, hier ist alles ein bisschen anders. Im Buch scheinen Realität und Fanatsie ein bisschen zu verschwimmen, aber die auftretende "Magie" wirkt nie fehl am Platz, sondern immer total natürlich, als könnte es nie anders sein. 
Neben dem "Glendower" Problem und zusammen mit diesem treten aber auch noch andere Rätsel und Gegebenheiten auf, die es zu erfoschen gilt und bei denen Sachen ans Licht kommen, die erst mal total verrückt klingen. Aber da verrückt und "anders" gut zusammenpassen formen sie einfach ein tolles Gesamtbild.  Alles zu erklären würde jetzt viel zu lange dauern und zu viel preisgeben, daher lasse ich es jetzt einfach mal weg. 

Das Buch lebt von den Beziehungen der Charaktere untereinander, vor allem die zwischen den Raven Boys, die sehr dynamisch sind und sich scheinbar alle um Gansey drehen. Mit Blue kommt etwas Schwung in die Sache und es wird gleichzeitg auch interessanter. Ich mochte Blue sehr gerne, aber im Vergleich zu den Jungs wirkt sie an manchen Stellen doch etwas einseitig. Ich bin sehr darauf gespannt, wie sie und ihre Jungs sich in den kommenden Büchern noch entwickeln werden.

Vielleicht noch eine kleine Anmerkung zum Schreibstil. Dass Maggie Stiefvater unglaublich toll schreiben und Bilder im Kopf entstehen lassen kann muss ich glaube ich nicht mehr ausführen, denn wer schon mal ein Buch von ihr gelesen hat und begeistert war, der weiß wovon ich rede. Was mir an WEN DER RABE RUFT sehr gut gefallen hat ist die "Er/Sie-Erzählperspektive" und dass das Buch aus der Sicht mehrerer Charaktere geschrieben ist. Das macht es zum einen sehr spannend, aber auch sehr abwechslungsreich und vielschichtig, weil man die Geschichte aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit unterschiedlichen Hintergründen erleben kann. 

WEN DER RABE RUFT ist ein Buch für Schatzsucher. Zum einen wird die Leidenschaft zum Rätseln angesprochen, zum anderen ist das Buch aber auch ein kleiner Schatz an sich, weil man mehr bekommt, als man vielleicht erwarten würde. Aber es bedarf auch einiger Geduld, denn bis wirklich alle Fragen beantwortet werden, die in diesem Buch auftauchen, bedarf es wohl noch der anderen drei Bücher, die in dieser Reihe noch folgen werden. Ich jedenfalls kann es kaum erwarten, Glendower wieder auf die Spur zu kommen... 

Lange Rede, kurzer Sinn, dieses vollkommen andere Buch bekommt 5 Pancakes von mir! :)