Rezension

Ich hatte mehr erwartet

Wir wollten nichts. Wir wollten alles. - Sanne Munk Jensen, Glenn Ringtved

Wir wollten nichts. Wir wollten alles.
von Sanne Munk Jensen Glenn Ringtved

Bewertet mit 3 Sternen

Aus dem Limfjord werden zwei Tote geborgen, die Jugendlichen Louise und Liam. Sie hängen mit Handschellen zusammen. Louises Vater glaubt an Mord, alle Zeichen aber sprechen für Selbstmord.

Deshalb erzählt Louise die richtige Geschichte.

Der Kunstgriff, eine Tote ihr Leben erzählen zu lassen, gibt dem Buch ein besonderes Flair. Nur dadurch ist es möglich, dass ich als Leser die Geschichte in zwei Sphären erlebe. Einerseits berichtet Louise, was passiert ist, andererseits beschreibt sie das Verhalten ihrer Eltern und von Ian, Liams Vater, in der Zeit nach dem Fund.

Louise, aufgewachsen in einem Akademikerhaushalt, trifft auf Liam, Sohn eines Iren. Für sie ist es Liebe auf den ersten Blick. Liam übernimmt schnell die führende Rolle. Trotzdem kommt mir die Beziehung lange Zeit wenig emotional vor. Die sexuelle Seite spielt die Hauptrolle.

Das Buch ist spannend geschrieben. Liam und sein Freud Jeppe träumen vom großen Geld. Sie verkaufen Drogen für Johannes. Das ist der Anfang vom Ende. Johannes entpuppt sich schnell als Psychopath, der keinerlei Abweichungen von seinen Anweisungen duldet.

Louise ist zu diesem Zeitpunkt gerade 17 Jahre alt. Liam ist ihr Ein und Alles. Es hat mich erstaunt, welche Freiheiten ihr die Eltern einräumen. Das fand ich wenig realistisch.

Deshalb fand ich den Blick in die Zeit nach dem Leichenfund interessant. Jeder der Betroffenen geht mit dem Tod des Kindes anders um. Plötzlich stellen sie fest, dass sie über die letzten Monate so gut wie nichts wissen. Fragen ist Louise geschickt ausgewichen, notfalls waren passende Lügen parat. Jeder ist mit seiner Trauer allein. Trotzdem konnte ich manche Reaktionen nicht nachvollziehen.

Das Buch wendet sich an die Zielgruppe der Jugendlichen. Es mag sein, dass dafür auch deren Umgangssprache gewählt wird. Mir war das aber deutlich zu weit unter dem normalen Niveau. Zu oft gleitet die Sprache ins Vulgäre ab. Die Verwendung der englischen Sprache wird damit begründet, dass Ians Vater nie gut dänisch gelernt hat. Auch hier wäre weniger mehr gewesen.

Die Grundidee der Geschichte und die gewählte Erzählperspektive haben mir sehr gut gefallen. Abstriche gibt es bei der sprachlichen Gestaltung. Auch das Verhalten der Eltern ist für mich nicht logisch nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass das Buch für mich keine Liebesgeschichte ist, sondern die Geschichte einer verhängnisvollen Abhängigkeit.