Rezension

Pathos bis(s) einer weint

Vergeltung - Don Winslow

Vergeltung
von Don Winslow

Bewertet mit 1.5 Sternen

Wer dieses 491 Seiten starke und 578 g schwere Buch von DW - Don Winslow - dem Autor mit den 10 Buchstaben zur Hand nimmt, wird mit einem tollen Cover belohnt, auf dem der deutsche Titel mit ebenfalls 10 Buchstaben steht. Es besteht aus einer Klappbroschur, die 3 mm dick ist und sich gut anfassen und ansehen lässt; am besten fängt man dann gleich auf Seite 9 zu lesen an. Wer das tut, muss sich allerdings damit arrangieren, dass ihm gelegentlich DAGWUZ - die Augen glasig werden und zuklappen -, nicht einmal, weil der Autor so EL - extrem langweilig -, schreibt, sondern weil bei etwa jedem 5. Wort eines jeden 3. Satzes diverse Zahlen und Daten irgendwelche außergewöhnlichen WT - Waffentechniken - beschreiben oder jedes 33. Wort aus einer AGB - Abkürzung von Großbuchstaben - besteht, die dahinter trotzdem noch einmal erklärt werden.

Alles klar? ;)

Ok, wer sich bis zu diesem RP - Reviewpoint - gekämpft hat, ist in der Lage, das Buch lesen zu können. Alle anderen sind Weicheier, die es nicht verdient haben, mit Dave Collins, dem ehemaligen Major einer Elite-Einheit und seinen GS - glorreichen Söldnern - auf die Jagd nach dem schlimmsten Terroristen der Welt zu gehen.

Aziz ist der Name dieses Terroristen, und er hat angeordnet, dass Flug 211 abgeschossen wird. Bei dem daraufhin erfolgten Absturz gab es keine Überlebenden - und zwei der Opfer waren Frau und Kind von Dave Collins, der als Chef der Flughafensicherheit nur Minuten vorher heldenhaft einen jungen Terroristen erschoss, der sich soeben in die Luft sprengen und für Hunderte Tote sorgen wollte. Die amerikanische Regierung beschließt, diesen Akt des Terrors als Unfall auszugeben, weil ... Keks. Weil sie so friedliebend ist, weiß man ja. Weil sie sich mit den Islamisten demnächst an einen Tisch setzen und Friedensverhandlungen planen will. Wie auch immer, sie können keinen ehemaligen Supersoldaten brauchen, der jetzt Stress macht, weil er Jagd auf den Terroristen machen möchte. Aus diesem Grund sammelt er die ganzen Millionen der Hinterbliebenen des Absturzes ein, die alle so darauf aus sind, dass ihre Angehörigen gerächt - ach, nein, Verzeihung: dass diese Untat vergolten wird, dass sie ihm insgesamt 280 Millionen Dollar aus der Versicherungssumme überlassen, damit er eine Söldnertruppe anheuert und sich auf die Jagd begibt. Zum Glück kennt er gleich die richtigen Leute, immerhin war er ja selbst mal ein Supersoldat, und er kennt auch gleich die richtigen Leute, die ihm Informationen beschaffen und überhaupt kennt er immer die richtigen Leute. Passt.

Wie das Ganze ausgeht, ist klar. Eigentlich hatte ich auch nicht viel anderes als gute Ballereien und einen Rachefeldzug erwartet. Dass es allerdings ein technisches Handbuch für Kriegsführung werden würde, war mir nicht klar. Ebensowenig, dass es von übelkeitserregenden Pathos, der regelrecht aus den Seiten tropft, wimmeln würde. Die Klischees, die einem permanent um die Ohren gehauen wurden. Alle Amis oder alle, die auf Seiten Dave Collins sind, sind unglaublich heroisch und lachen der Gefahr ins Gesicht. Lieber sterben sie für ihre ohnehin schon gefallenen Kameraden, als sie zurückzulassen und sich selbst zu retten. Wenn es doch mal Verrat gibt, lässt sich der Verräter ruckzuck ausfindig machen. Die Leute von der Regierung, die Dave Collins das Leben schwer machen sollen, sind im Grunde ihres Herzens doch feine Kerle, denn sie wissen ja, dass Dave nur Gerechtigkeit will.

Der böse Feind Aziz ist ... hui, überraschend: einfach nur böse. Außerdem feige. Im Gegensatz zu den tapferen Männern aus dem Westen hat er nämlich Angst, als es gefährlich wird. Und natürlich ist ihm eigentlich der Dshihad, wenn man es genau betrachtet, völlig schnurz. Ihm geht es nur um Geld und Macht, dem kleinen Drogenbaron.

Ich könnte mich hier noch weiter unendlich ausbreiten, aber ich lasse es. Einen halben Punkt gibt es für das supertollige Cover, den anderen, weil Don Winslow eigentlich schreiben könnte, wenn er denn mal von seinem erstickenden Pathos lassen wollte. Das war mein erster DW - Don Winslow - aber ich denke, ich habe genug vom "besten Thrillerautor unserer Tage" gelesen.