Rezension

Beklemmend

Der Fluss - Deine letzte Hoffnung - Josh Malerman

Der Fluss - Deine letzte Hoffnung
von Josh Malerman

Bewertet mit 3 Sternen

Stell dir vor, du müsstet dir - von heut auf morgen - deine Augen verbinden, weil draußen vor der Tür etwas Schreckliches lauert. Wer "es" gesehen hat, wird wahnsinnig, kann das Gesehene nicht ertragen und tötet sich schließlich selbst.

Plötzlich ist es dunkel, die noch lebenden Menschen verbarrikadieren sich in ihren Häusern, niemand geht mehr auf die Straße und das Leben kommt zum Erliegen. Der Kontakt zu deinen Verwandten und Freunden ist abgebrochen, du hast geliebte Menschen sterben sehen und nun bist du allein. Doch was ist, wenn deine Vorräte zur Neige gehen, die Strom- und Wasserversorgung zusammenbricht und es schlicht und ergreifend ums nackte Überleben geht? Öffnest du deine Augen? 

Genau diesem Szenario muss sich unsere Protagonistin Malorie stellen. Sie ist gefangen in ihrem eigenen Haus, musste dabei zusehen, wie ihre Schwester dem Wahnsinn zum Opfer fiel und trägt ab sofort nicht nur die Verantwortung für sich, sondern auch für ihr ungeborenes Kind.
Diese Situation liegt 5 Jahre zurück. Während Malorie ihre waghalsige Flucht vorbereitet, blickt sie immer wieder zurück. Ihre Geschichte wird in zwei Zeitsträngen erzählt. Der Autor wechselt kontinuierlich zwischen Vergangenheit und Gegenwart und baut mit kleinen Cliffhangern an den jeweiligen Enden der kurzen Kapitel direkt Spannung sowie ein gutes Lesetempo auf.

Besonders gefallen haben mir in dieser Geschichte die Horrorelemente, die der Debütautor geschickt in die Handlung einbaut. Genau diese sind es, die das Buch von anderen Spannungsromanen oder Thrillern abheben. Die Atmosphäre ist stets düster, beklemmend und unheimlich. Vor allem wenn Malorie die Augen verbunden hat und genauso wenig sieht wie wir Leser, kroch mir die Gänsehaut über die Arme und ich fühlte mich beobachtet.

Malorie hat mir als Hauptcharakter nicht ganz so gut gefallen. Mir fiel es schwer einen Zugang zu ihr zu finden. Ihr Mut hat mich zwar beeindruckt, aber trotzdem blieb sie auch im Fortlauf der Geschichte zu blass, unnahbar und irgendwie auch unsympathisch.

Hat man sich erstmal an das düstere Szenario gewöhnt, lässt der Grusel relativ schnell wieder nach. Ich persönlich führe das auf die Längen zurück, die mir den Mittelteil des Buches als etwas zu langweilig gestaltet haben. Als im letzten Viertel wieder etwas Fahrt aufkam und die Gefahr unmittelbar greifbar wurde, konnte ich sie auch wieder spüren und fieberte mit.

Wie lang kann Malorie in ihrem Haus ausharren? Wem begegnet sie auf ihrer Flucht und wem kann sie vertrauen? Was wird aus ihrem ungeborenen Baby? Und was genau lauert vor ihrer Tür? Wird sie die Augen öffnen und nachsehen?

Für meinen Geschmack hätte Josh Malerman insbesondere im Mittelteil noch einen draufsetzen können, um seinen Lesern ein fesselndes Horrorabenteuer zu schenken. Unnötige Längen haben in einer Geschichte dieses Genres einfach nichts zu suchen. Die Grundidee zu "Bird Box", die von Malerman heraufbeschworene beklemmende Atmosphäre sowie sein emotionsloser und gleichzeitig (zu mancher Zeit) packender Schreibstil haben mir jedoch sehr gut gefallen, sodass ich "Bird Box" als unheimlichen Spannungsroman in Erinnerung behalten werde, den man zwar lesen kann, aber nicht unbedingt lesen muss. Für Halloween würde ich dann doch eher einen verlässlicheren Grusel-Schmöker empfehlen.