Rezension

Ein Roman, der hauptsächlich von seiner emotionslosen Atmosphäre lebt

Der Fluss - Deine letzte Hoffnung - Josh Malerman

Der Fluss - Deine letzte Hoffnung
von Josh Malerman

Bewertet mit 4 Sternen

Sie sind überall, doch niemand weiß, wie sie wirklich aussehen noch wer sie überhaupt sind. Denn in ihrer Nähe darf man nicht die Augen öffnen.
Ansonsten verliert man den Verstand.

Seit Jahren lebt Malorie mit zwei kleinen Kindern in einem abgedunkelten Haus ganz allein ohne Kontakt zu anderen Menschen. Vor ihrer Tür lauern unheimliche Wesen, dessen bloßer Anblick Wahnsinn und Raserei auslöst. Sie weiß, dass sie sich nicht ewig in dieser Zuflucht verstecken kann, wo grauenvolle Dinge geschehen sind und der Junge und das Mädchen keinerlei Zukunft haben.
Aber will sie es wirklich riskieren, nach einer neuen vielversprechenderen Heimat zu suchen und ihr geschütztes Domizil zu verlassen? Eines ist nämlich sicher: In der Außenwelt ist sie auf sich selbst gestellt und muss dafür sorgen, dass ihre beiden Schutzbefohlenen überleben.
Und irgendwann wird sie sich dem Grauen stellen müssen.

 

Schon die Inhaltsangabe von Bird Box hörte sich sehr spannend und nach einer interessanten Idee an, sodass ich das Buch unbedingt lesen wollte. Und die Umsetzung fand ich in weiten Teilen wirklich gelungen.
Die Figuren wirken auf den ersten Blick ziemlich nüchtern, abgestumpft und emotionslos. Der Autor baut gleich zu Anfang eine Distanz zwischen ihnen und dem Leser auf und man tut sich schwer damit, sich in sie hineinzudenken. Doch man merkt schnell, dass die Ereignisse der Vergangenheit sie so haben werden lassen. Ganz besonders Malorie hat einiges durchgemacht und furchtbare Dinge tun müssen, um ihr Überleben und das der Kinder zu sichern. Ihre Gefühle finden sich meist zwischen den Zeilen wieder und werden knapp angedeutet, sodass man oft selbst in eine Situation hineininterpretieren muss, was der jeweilige Protagonist empfindet. Dennoch löst das gerade die panische Beklemmung bei einem aus, die die handelnden Personen ständig ergreift.
Trotz allem muss ich gestehen, dass es niemanden unter ihnen gab, dessen Schicksal mich so tief berührt hat, dass ich Mitleid mit ihm hatte.
 
Der Schreibstil ist ähnlich gestrickt: Einfach, mit kurzen knappen Sätzen, die kaum etwas von dem Seelenleben der Charaktere preisgeben. Dadurch entsteht eine düstere Endzeitatmosphäre, die von Misstrauen und Furcht geprägt ist. Auch in der Hinsicht passt das hervorragend zur Story, da dadurch gleichzeitig eine unterschwellige Spannung aufgebaut wird, der man sich trotz fehlender Action nicht entziehen kann. Immer wieder stellt man sich dieselben Fragen wie Malorie, ob die Bedrohung nun wirklich real durch fremde Wesen verursacht wird und wie diese wohl aussehen könnten. Sie scheinen überall in der Außenwelt umherzustreifen, allerdings kann man sich dessen nie sicher sein, da man sich stets auf sein Gehör, seinen Tast- und seinen Geruchssinn verlassen muss. Und natürlich zehrt allein das an der geistigen Gesundheit derjenigen, die bisher verschont geblieben sind. Das alles sind brisanten Themen, die eindringlich und nervenaufreibend verpackt werden.
Was mich dagegen gestört hat, war die Tatsache, dass auch die Rückblenden in der Art und Weise erzählt wurden. Hätte Josh Malerman diese Szenen etwas lebhafter und fröhlicher gestaltet, wäre die bedrückende Entwicklung bis in die Gegenwart hinein wesentlich besser und stärker zum Vorschein gekommen.

 

Fazit

 

Bird Box von Josh Malerman ist eine ungewöhnlich beklemmende Mischung aus Dystopie und Psychohorror. Mit emotional abgestumpften Charakteren, die die Folgen des drohenden Wahnsinns unglaublich nachvollziehbar ausdrücken, einer düsteren Atmosphäre, die mehr Spannung weckt als so manche übertriebenen Actionszenen und einem dazu perfekt passenden Schreibstil konnte das Buch mich von sich überzeugen.Leider wirken auch die Szenen der relativ glücklichen Vergangenheit so gefühlsarm, was der grausamen Gegenwart etwas von ihrer beängstigenden Stimmung nimmt.Wer subtilem Grusel mehr abgewinnen kann als unerwarteten Schockeffekten, gerne zwischen den Zeilen liest, was die Gefühlslage der Protagonisten ausmacht und gut angelegte Plots zu schätzen weiß, der ist mit diesem Roman wirklich gut beraten.