Rezension

Crime noir mit Grautönen

Fünf Winter -

Fünf Winter
von James Kestrel

Bewertet mit 5 Sternen

Joe McGrady, Cop beim HPD, dem Honolulu Police Department und ehemaliger Captain der US Army, soll einen komplexen Fall aufklären. Der Neffe eines Admirals und eine junge Japanerin sind bestialisch ermordet worden. Hierfür wird McGrady nach Hongkong gesandt und gerät in die heiße Phase des Pazifikkrieges. Erst nach der Kapitulation Japans – nach fünf Wintern - kann er wieder nach Hawaii zurückkehren. Er nimmt den Fall wieder auf. Aber die Machtverhältnisse haben sich geändert.

Ohne dass der Spannungsbogen auch nur einmal durchhängt, führt Kestrel uns durch eine komplexe Geschichte vor dem Hintergrund der Wirren des Pazifikkrieges. Die Historie ist mehr als nur eine Folie für die Handlung – ohne die Zeitgeschichte, die Geworfenheit der Menschen im Strudel des Krieges ist die Story nicht denkbar. Mit McGrady erleben wir den kolonialen Charme des Orients kurz vor dem Krieg – dann Bomben und Artillerie auf Hongkong, den Napalm-Angriff auf Tokyo – und ahnen, was dabei verloren gegangen ist. Wir erleben das vormoderne Tokyo, „Als hätte jemand ein mittelalterliches Dorf gebaut und dabei Los Angeles im Sinn gehabt.“ Kestrel hat offenkundig gründlich recherchiert. All das verleiht der Story eine intensive Authentizität. Auch die Sprache hat mir gefallen – Kestrel schreibt knapp, präzise und bildhaft. Dialoge kann er auch.

Der Autor hat einen Crime Noir mit vielen Grautönen geschaffen. Trotz der Eindeutigkeit der Schuld Japans am Kriegsgeschehen erlaubt Kestrel sich keinerlei Rassismen und hält sich im Urteil zurück. Im Gegenteil gelingt es dem Autor,  japanische Lebensart und Kultur respektvoll und anschaulich zu beschreiben. Ebenso versagt er sich billige Nationalismen und Moralurteile. „Wenn eine Frau und ihr Baby in Flammen aufgingen und verkohlten, spielte es keine Rolle mehr, aus welchem Land sie stammten.“

Kestrel lässt seinen Helden darüber nachdenken, wie klein oft die Entscheidungen scheinen, die unserem Leben seine Richtung geben. Umso mehr gilt das für die „interessanten Zeiten“, die in diesem Epos geschildert werden. Joe McGrady ist ein sympathischer Protagonist, wie frau ihn gern hat – ein harter Bursche, der dennoch zu zarten Gefühlen fähig ist. Ganz ohne Kitsch und Sentiment zeichnet Kestrel eine anrührende Liebesgeschichte, mit all der Tragik, die in Kriegszeiten dazugehört. Auch die Frauenfiguren sind ihm durchweg gut gelungen.

Historischer Roman, Spionage Thriller, Crime Noir, Liebesgeschichte – James Kestrels Roman vereint all diese Genres auf kluge und spannende Art. „Fünf Winter“ unterhält bestens auf hohem Niveau. Eine Verfilmung wird wohl nicht allzu lange auf  sich warten lassen.