Rezension

Mördersuche über Grenzen hinweg

Fünf Winter -

Fünf Winter
von James Kestrel

Bewertet mit 5 Sternen

Joe McGrady ist Detectiv auf Hawaii und bekommt es in seiner ersten größeren Ermittlung mit einem brutalen Doppelmord zu tun. Ein junger Mann wird gefoltert und getötet, vor den Augen einer jungen Japanerin, augenscheinlich seine Freundin, bevor man auch sie tötet. Da der Tote der Neffe eines hochrangigen Kommandanten der in Pearl Harbor stationierten Pazifikflotte ist, wird die Ermittlung auch von dieser Seite forciert und der schnelle Abschluss, den sich McGradys Vorgesetzte gewünscht hätten, ist nicht in Sicht. Bald wird klar, dass der Fall viel tiefer geht als gedacht und sich die Ermittlungen nicht nur auf Honolulu begrenzen.

James Kestrel liefert hier auf den ersten Blick einen klassischen Krimi/Thrillerplot. Ein Mord geschieht, ein junger, noch etwas unerfahrener Detectiv wird dem Fall zugeteilt und ermittelt teils gegen den Willen seiner Vorgesetzten. Der Autor lässt seinen Protagonisten dabei so tief in den Fall eintauchen, das alles Andere in den Hintergrund gedrängt wird. McGradyˋs Figur bekommt etwas manisches in ihrem Tun, die Suche nach dem Täter wird zur Bessessenheit und verändert letztlich das komplette Leben.

Als wäre das nicht genug, schickt der Autor seine Figur mitten in die Wirren des zweiten Weltkrieges, nach Japan und der Leser erlebt den Krieg so aus einer anderen, mir relativ unbekannten Perspektive. Natürlich kennt man die geschichtliche Abfolge mit dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor und dem daraus folgenden Eintritt der USA in den Krieg und dem schrecklichen Höhepunkt, dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki, aber man kennt diesen Teil der Geschichte meist nicht aus japanischer Sicht. Dadurch das McGrady sich in Japan versteckt ist der Leser hautnah bei den nächtlichen Bombardements dabei und erlebt so die schrecklichen Folgen. Der Autor vermeidet hier konsequent eine Bennenung von Gut und Böse, Schuldzuweisungen gibt es keine. Es wird deutlich das es, wie in jedem Krieg, keine Gewinner, sondern nur Verlierer geben kann.

Die Geschichte zeigt das grässliche Bild des Krieges in erschütternden, schonungslosen, aber auch einfühlsamen und emotionalen Bildern. Hier verbindet der Autor den ursprünglichen Kriminalfall mit einer zarten Liebesgeschichte, die wiederum von großer Bedeutung ist, um die Besessenheit der Hauptfigur besser verstehen zu können. Das die Geschichte diese Entwicklung nimmt, hatte ich so nicht erwartet. Ich habe oft meine Probleme mit Liebesgeschichten, allerdings hat der Autor es hier sehr gut verstanden die Balance zu halten, die verschiedenen Genreelemente sind perfekt ineinander verwoben und so entstehen auch im eher ruhigen Mittelteil keine Längen.

Das Buch hat mich von der ersten Seite an gefesselt, obwohl es über weite Strecken gar nicht das bietet, was ich normalerweise bevorzugt lese. Es bietet mehr, viel, viel mehr, eine Kategorisierung fällt mir daher unglaublich schwer. Das Buch ist natürlich in erster Linie ein Krimi/Thriller, aber eben auch ein Antikriegsdrama und eine Liebesgeschichte. Der Autor verbindet all diese Elemente in einem sehr angenehmen Stil, das Lesen ist ein Vergnügen, die Figuren wecken schon nach kurzer Zeit starke Emotionen. Dieses Buch ist eine unbedingte Empfehlung und hat in meine Augen das Potenzial zu modernen Klassiker.