Rezension

Dramatisch und emotional bewegend

Leuchtfeuer -

Leuchtfeuer
von Dani Shapiro

Bewertet mit 1.5 Sternen

Dani Shapiro ist Schriftstellerin und betreibt einen erfolgreichen Podcast. Ihr jüngster Roman „ Leuchtfeuer“ war in den USA ein großer Erfolg und wurde von diversen Zeitungen zum „ Buch des Jahres“ gewählt. Dass eine Verfilmung geplant ist, überrascht nicht.
Der Roman beginnt an einem Abend im August 1985 in Avalon, einem Vorort von New York. Drei Teenager sind auf dem Heimweg von einer Party; am Steuer der fünfzehnjährige Theo Wilf, ohne jegliche Fahrerlaubnis . Neben ihm Misty, ein Mädchen, für das er schwärmt. Auf dem Rücksitz Sarah, Theos siebzehnjährige Schwester. Weil sie getrunken hat, übergibt sie ihrem Bruder die Autoschlüssel. Dann, ein Moment der Unachtsamkeit, und danach ist nichts mehr wie zuvor. „ Änderst du ein Element, ändert sich alles. Eine Erschütterung hier verursacht ein Erdbeben dort. Eine Bruchlinie vertieft sich.“ 
Misty kommt bei diesem Unfall ums Leben und für die gesamte Familie Wilf wird er zu einem Trauma, das ihr weiteres Leben bestimmt. „ Auf der Tonspur des Lebens läuft der Todesschrei eines Mädchens in Dauerschleife. Man kann ihm nicht entkommen.“
Sarah wird später eine erfolgreiche Produzentin werden, hat mit Mann und zwei Töchtern eine nach außen perfekte Familie. Doch glücklich wird sie nicht. Ihre Dämonen bekämpft sie mit zu viel Alkohol und lässt sich auf eine verhängnisvolle Affäre ein. Theo ist, nach Jahren des Suchens und Herumirrens, ein begnadeter Meisterkoch mit angesagtem Restaurant, privat aber ein wortkarger Einzelgänger.
Auch bei den Eltern hat diese Unglücksnacht ihre Spuren hinterlassen, v.a. beim Vater. Ben war als Erster bei der Unfallstelle und hat als Arzt Fehler gemacht. Und Mutter Mimi wird die unausgesprochene Vereinbarung, über das Geschehene zu schweigen, den Mantel des Vergessens darüber zu legen, zur Vollendung bringen. Sie erkrankt im Alter an Demenz.
Doch nicht nur die Familie Wilf steht im Zentrum des Romans. Jahre später zieht das Ehepaar Shenkman in das Haus gegenüber. Auch deren Familiengeschichte und ihre Verbindung zu den Wilfs beleuchtet die Autorin in eindrücklichen Szenen. Am Silvesterabend des Jahres 1999 wird Dr. Wilf Alice Shenkman bei der dramatischen Geburt ihres Sohnes Waldo zur Seite stehen. Jahre später bahnt sich eine innige Freundschaft zwischen dem hochbegabten und sensiblen Jungen und Dr. Wilf an. Und in einer der innigsten Szenen des Romans wird Waldo Mimi beistehen. 
Die Autorin kann schreiben, mit Sprache umgehen, Spannung aufbauen und Figuren entwickeln. Sehr gut fühlt sie sich in ihre Charaktere hinein, aus deren Perspektive sie die Geschichte entwickelt. Kapitelweise stehen Sarah, Theo, Ben, Waldo und dessen Vater Shenkman im Fokus. Dass dabei die beiden Frauenfiguren Mimi und Alice Shenkman etwas blasser bleiben, ist deshalb nur folgerichtig.
Die Autorin erzählt ihren Roman, der sich über einen langen Zeitraum von fünfzig Jahren erstreckt, nicht chronologisch, sondern springt zwischen den Zeiten hin und her. Dabei greift sie Schlüsselmomente aus den Jahren 1999, 2010, 2014 und 2020 heraus. Das erfordert zwar etwas Aufmerksamkeit vom Leser, doch die Kapitel sind datiert, so dass man sich gut zurechtfinden kann. Dieses sprunghafte Erzählen wurde von Dani Shapiro zum einen benutzt, um nicht langweilig zu schreiben. Doch wichtiger hierbei war ihr mehr noch der Gedanke, dass alles mit allem verbunden ist. In den Erinnerungen und aus großer Distanz verschwinden die verschiedenen Zeitebenen. 
Nicht jeder mag diese leicht esoterischen Gedankengänge der Autorin nachvollziehen können.
Doch davon abgesehen ist ihr ein vielschichtiger und spannend zu lesender Roman gelungen. Die Autorin belegt eindrucksvoll, wie schnell sich das Leben einer zuvor glücklichen Familie ändern kann, welche seelischen Narben durch unbeabsichtigt schuldhaftes Verhalten entstehen. Und sie zeigt, dass es nicht gut sein kann, Geheimnisse tief in sich zu vergraben, statt darüber zu sprechen. Aber auch, wie sehr wir miteinander verbunden sind und dass wir Liebe und Verständnis brauchen.
Wer Freude hat an dramatischen und emotional bewegenden Familiengeschichten, der ist mit diesem Unterhaltungsroman bestens bedient.